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petition der wocheDer Kölner Kampf um ein bedrohtes Paradies

Anlass der Petition: Eine Anzeige beim Ordnungsamt wegen der Sitzecke eines Rentners

Das will die Initiatorin: Bank, Blumenkübel und Fahne auf öffentlichem Boden

Das will sie wirklich: Nachbarschaftlichen Zusammenhalt und dass alles beim Alten bleibt

Gerade mal fünfzehn Wörter umfasst die Petition „Rettet Jupp’s kleines Paradies“. Doch jede und jeder im Kölner Veedel Zollstock dürfte wissen, worum es geht. „Bitte helft dabei, dass diese kleine Oase für Jupp erhalten bleibt. Es stört doch niemanden.“ Das ist der gesamte Text, Adressatin ist die Oberbürgermeisterin.

Als Erklärung für Menschen jenseits von Köln-Zollstock: Jupp, das ist Joseph Hilche, 81 Jahre alt, ehemaliger Binnenschiffer. Jupps kleines Paradies, das sind eine gepolsterte Holzbank, zwei Kübel mit Rosenstöcken und die Flagge des Drittligisten Fortuna Köln. Jupps Gegenspieler, das ist das Ordnungsamt Köln. Denn die Oase befindet sich auf dem Gehweg vor Jupps Wohnung, sprich: auf öffentlichem Straßenland. Und deswegen hat jemand Anzeige erstattet.

Fünfmal seien die vom Ordnungsamt schon bei ihm gewesen, sagt Jupp. Er sitzt auf seiner Bank vor einem Reihenhaus in der Herthastraße. Hinter der Wand liegt seine Wohnung, die er sich in einem ehemaligen Schusterladen eingerichtet hat. „Ich sagte: Es kommt nix weg! Er sagte: Das kommt weg!“ So erzählt Jupp am Telefon, wie es war.

Vor mehr als 17 Jahren habe er die Bank aufgestellt, nie habe sich jemand daran gestört. Er kann es nicht fassen, dass ihn nach all den Jahren jemand beim Ordnungsamt angezeigt hat. „Die Bank ist festgekettet. Wenn wer was wegnimmt, dann nur über meine Leiche. Ich habe nichts anderes als diese Bank“, sagt Jupp.

Ute Ries kennt Jupp nicht persönlich, sie wohnt 300 Kilometer südlich, in Schwaigern, Baden-Württemberg. Sie kennt eine von Jupps Töchtern aus einer Facebook-Gruppe für Hundefreund*innen. Als sie auf deren Profil von der Auseinandersetzung um die Sitzecke las, hat sie spontan die erste Petition ihres Lebens aufgesetzt. Öffentlichkeit kann etwas bewegen, das ist ihre Hoffnung.

Eine von Jupps Unterstützer*innen vor Ort ist die Medizinstudentin Anna Heitkämper. Sie wohnt im Haus nebenan. Seit sieben Jahren lebt sie dort, inzwischen sei Jupp wie ein weiterer Opa für sie geworden. „Jupp ist die gute Seele des Viertels“, sagt sie. Er gieße Blumen, repariere Fahrräder, gehe die Senior*innen im Pflegeheim besuchen. Und er halte die Kommunikation aufrecht im Viertel, denn auf seiner Bank sei jeder willkommen. Sie machte über Facebook auf seinen Fall aufmerksam, darauf kamen viele Nachbar*innen zu Jupp und unterschrieben die Liste. Mehr als 700 Unterschriften haben die Nachbar*innen schon vor Ort gesammelt, die Petition im Internet haben gut doppelt so viele unterzeichnet.

Inge Schürmann, stellvertretende Pressesprecherin der Oberbürgermeisterin, ist inzwischen richtig sauer auf Jupp und seine Unter­stützer*innen. Statt Unterschriften zu sammeln und mit Medien zu sprechen, hätten sie einfach eine Sondernutzung beantragen können, sagt sie. Die Bedingungen seien in der Sondernutzungssatzung klar geregelt. Aber da müsse man schon selbst die Initiative ergreifen: „Wenn Sie einen Perso haben wollen, müssen sie sich auch selbst drum kümmern, da kommt keine Behörde auf Sie zu.“ Das Ordnungsamt habe übrigens signalisiert, dass sich die Sitzgelegenheit genehmigen ließe. Nur die Markise sei problematisch, denn in ­ausgefahrenem Zustand hinge diese zu tief herunter. Johanna Kleibl

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