piwik no script img

Die Kunst der Beiläufigkeit

Gut gebauter Pop zum sanften Mitwippen: The Sea and Cake aus Chicago im Frannz Club

Von Thomas Mauch

Auch wenn man längst schon zwanglos von einem Genre in das nächste wechselt und sich eigentlich nicht weiter von Grenzen zwischen Pop, Jazz und auch klassischer Musik aufhalten lassen will, gibt es doch noch augenscheinliche Unterschiede. Ein recht prinzipieller: Bei einem klassischen Konzert oder beim Jazz darf man als Zuhörer sitzen. Beim Pop, da steht man.

So war das auch am Donnerstag im gut gefüllten Frannz Club beim Konzert von The Sea and Cake, der Band, die zusammen mit den ihr eng verbundenen anderen Chicago-Bands wie Tortoise einst in den Neunzigern noch einmal den Indierock gerettet hat mit einer zurückhaltend nachdenklichen Musik. Postrock hat man das dann genannt.

Das Schöne bei The Sea and Cake ist außerdem, dass man an ihrem Beispiel Band tatsächlich wie Bande lesen kann. Bande, die einen zusammenhalten, auch wenn man gerade nicht als Band unterwegs ist, weil man seinem sonstigen Zeitvertreib und Gelderwerb nachgeht. Malend, fotografierend oder zeichnend wie die Gitarristen Sam Prekop und Archer Prewitt. Schlagzeuger John McEntire spielt auch bei Tortoise und ist sonst wie im Musikgeschäft tätig, live ist für den mittlerweile ausgestiegenen Bassisten Eric Claridge der von Tortoise ausgeborgte Dough McCombs dabei. Jedenfalls werden The Sea and Cake nicht auf die Bühne gezwungen, weil sie je einen Hit gehabt hätten, der nun noch verwertet werden müsste.

Man darf also annehmen, dass das, was man im Frannz hörte, auch genau das ist, was sie als The Sea and Cake machen wollen. Diesen fein gebauten Pop. Leichtfüßig tänzelnde Lieder mit einem Hauch Melancholie in dem sanft begütigenden Gesang von Sam Prekop.

Das sind keine Lieder, die einen überwältigen wollen oder einem emotional etwas abtrotzen. Und wie ihre Songs wollen auch die Musiker keine Stimmungskanonen sein. Nichts war bei dem Konzert zu sehen, was man auch nur als Andeutung einer Show bezeichnen könnte. Wenn Sam Prekop sich überhaupt mal eine Ansage abrang, sagte er so was wie, dass man jetzt eben einen „weiteren Song“ spiele. Ein weiteres Lied, das dann genauso gut und kunstvoll war wie das vorangegangene. Filigran. Schmeichelnd in aller Beiläufigkeit. Alles locker und unaufgeregt, alles ganz en passant. Das konnte, hörte man nicht genau hin, auch etwas Verhuschtes haben.

Diese kleinen harmonischen Wendungen etwa, die bereits ein Abzweig zum Jazz sein könnten. Wo die Band aber gar nicht hinwollte, eher wollte sie damit einen Reichtum von Möglichkeiten andeuten, und den hätte man im Sitzen vielleicht noch ein Stückchen besser mitbekommen. Zumal The Sea and Cake auch live nicht unbedingt eine körperlich mitreißende Band sind. Das sanfte Mitwippen, das im Frannz letztlich alle machten, hätte man genauso gut und ohne irgendwelche Einbußen am Konzertgenuss auch im bequemen Sessel hinbekommen.

Wobei: Dieses allgemeine Einstehen für ein sachtes Wiegen, ganz prinzipiell, das hatte schon was Anrührendes.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen