piwik no script img

Sonntag bleibt Badetag

Die Geschäfte in Schleswig-Holsteins Tourismusorten dürfen nicht länger öffnen. Gewerkschaften und Kirchen verhindern Saisonverlängerung in der Bäderverordnung

Sonntägliche Ruhe bleibt: Timmendorfer Strand Foto: Bodo Marks/dpa

Von Sven-Michael Veit

Für die Gewerkschaft Ver.di Nord ist die Schmerzgrenze erreicht: „Die neue Bäderverordnung für Schleswig-Holstein ist ein Kompromiss, den wir gerade eben noch mittragen können“, sagt der stellvertretende Landesbezirksleiter Michael Rüther. Dadurch sei verhindert worden, „dass der Rechtsweg beschritten werden muss, um den grundgesetzlich festgeschriebenen Sonntagsschutz zu gewährleisten“. Damit stellt Rüther klar, dass Wirtschafts- und Tourismusminister Bernd Buchholz (FDP) am gemeinsamen Widerstand von Gewerkschaften und Kirchen gescheitert ist. Der Freidemokrat hatte eine Ausweitung der Ladeöffnungszeiten erreichen wollen – ohne Erfolg.

Die neue Bäderverordnung, auf die sich die Landesregierung am gestrigen Dienstag mit Ver.di sowie der evangelischen und der katholischen Kirche geeinigt hat, schreibt die bisherige, im Dezember auslaufende Regelung weitgehend fort. Danach gilt im Grundsatz weiterhin ein landesweites Sonntagsöffnungsverbot, an zehn Sonntagen im Jahr gilt dieses auch für die Tourismusorte. In diesen 95 Städten und Gemeinden dürfen Läden des alltäglichen Bedarfs (siehe Kasten) jedoch vom 15. März bis zum 31. Oktober und vom 17. Dezember bis zum 8. Januar sonntags zwischen 11 und 19 Uhr jeweils sechs Stunden lang öffnen.

Buchholz bedauerte, dass eine Ausdehnung „nicht konsensfähig“ gewesen sei. Er wollte die Sonntagsöffnungszeit schon am 1. März beginnen lassen, um die Nebensaison zu stärken. Zudem gibt es Begehrlichkeiten in den beiden größten Städten. Lübeck würde gerne mit dem gesamten Stadtgebiet in die Bäderregelung aufgenommen werden, in Kiel gibt es Sonderwünsche für die Sonntage, an denen große Kreuzfahrtschiffe anlegen und vorwiegend skandinavische Touristen sich mit vorwiegend geistigen Getränken eindecken möchten.

Beides wird es nun nicht geben. Dabei war Buchholz im Juli vorigen Jahres in die Verhandlungen gegangen mit den Worten: „Ich bin nicht der Überzeugung, dass man einen Feiertag nur dann heiligen kann, wenn die Geschäfte geschlossen sind.“ In einem Tourismusland wie Schleswig-Holstein stehe nun mal kein Gast gern vor geschlossenen Türen.

Shoppen am Strand

In Schleswig-Holstein einigten sich Regierung, Wirtschaft, Gewerkschaften sowie die evangelische und katholische Kirche 2013 darauf, die Ladenöffnungszeiten an Sonn- und Feiertagen einzuschränken.

Vorausgegangen war eine Klage der Kirchen vor dem Oberverwaltungsgericht Schleswig. Diese wurde nach der Einigung zurückgezogen.

Seitdem dürfen in gut 90 Tourismusorten vom 17. Dezember bis 8. Januar und vom 15. März bis 31. Oktober Läden des täglichen Bedarfs öffnen: Supermärkte, Bäckereien, Souvenirläden. Die Öffnungszeiten wurden auf sechs Stunden zwischen 11 und 19 Uhr beschränkt.

Nicht öffnen dürfen Möbel- und Autohäuser, Baumärkte und Fachmärkte für Elektrogroßgeräte.

„Die Verfassung schützt den freien Sonntag als ein hohes gesellschaftliches Gut“, beharrt hingegen der evangelische Bischof Gothart Magaard. Der bisherige Kompromiss sei bereits „an der Grenze dessen, was wir vertreten können“ gewesen, sagt auch die Leiterin des katholischen Büros Schleswig-Holstein, Beate Bäumer.

In Kürze wird in Mecklenburg-Vorpommern eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Greifswald über die dortige wirtschaftsfreundlichere Regelung erwartet. Gegen die seit Anfang 2016 geltende liberalere Regelung hat Ver.di geklagt. „Der Sonn- und Feiertagsschutz ist für uns von zentraler Bedeutung“, bekräftigt Rüther: „Der Sonntag ist eben kein Tag wie jeder andere.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen