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Ein schlauer Zug

Der Siemens-Konzern heuert den deutschen Exaußenminister Sigmar Gabriel an. Damit holt er sich einen gewieften Verhandler ins Haus, der über beste internationale Kontakte verfügt

Sigmar Gabriel im ICE. Demnächst darf er den Verkauf dieser Züge für Siemens Alstom einfädeln Foto: Wolfgang Stahr/laif

Aus Berlin Anja Krüger

Der frühere Außenminister Sigmar Gabriel tritt in die Dienste des Siemens-Konzerns. Das Münchener Großunternehmen will den ehemaligen SPD-Vorsitzenden in den Verwaltungsrat des Unternehmens senden, das aus dem Zusammenschluss der Siemens Zugsparte und dem französischen Technologie­kon­zern Alstom entstehen soll.

Bevor Gabriel Anfang 2017 Außenminister wurde, war er Bundeswirtschaftsminister. Noch im März hatte er kategorisch ausgeschlossen, Lobbyist zu werden. Jetzt soll er einer von sechs VertreterInnen werden, die Siemens in den Verwaltungsrat des neuen Unternehmens schicken möchte, von Alstrom kommen fünf. Die meisten VerwaltungsrätInnen sind ManagerInnen aus der Industrie.

Siemens stellt unter anderem den von der Deutschen Bahn eingesetzten ICE her, Alstom den französischen Schnellzug TGV. Bis Ende des Jahres soll die Fusion abgeschlossen sein. Allerdings müssen die Kartellwächter noch zustimmen. Das neue Unternehmen soll Ende 2018 oder zu Beginn des kommenden Jahres seine Arbeit aufnehmen. „Für die damit dann beginnende Tätigkeit eines neuen Aufsichtsrats würde ich nach Ablauf eines Jahres nach dem Ausscheiden aus der Bundesregierung zur Verfügung stehen“, erklärte Gabriel. Das wäre im März oder April kommenden Jahres. Sein Bundestagsmandat wird er voraussichtlich beibehalten, teilte sein Büro mit. Die Tätigkeit als Verwaltungsrat ist kein Vollzeitjob, sondern besteht in vier bis sechs Sitzungen im Jahr.

Gabriel sieht sich im Einklang mit den gesetzlichen Vorschriften für ehemalige Regierungsmitglieder, die in der Wirtschaft tätig werden. Selbstverständlich halte er sich strikt an die Vorgaben, sagte er. Er habe das zuständige Karenzgremium rechtzeitig informiert.

Wie viel Geld Gabriel für seine neue Tätigkeit bekommt, werden die Ak­tio­nä­re festlegen, wenn sich das Unternehmen in Frankreich gegründet hat. Ein Anhaltspunkt ist die Vergütung der Verwaltungsräte bei Alstom. Sie beträgt nach Unternehmensangaben rund 55.000 Euro im Jahr. Es ist aber durchaus möglich, dass Gabriel viel mehr erhalten wird. Siemens Alstom wird voraussichtlich einen Umsatz von 15 Milliarden Euro im Jahr erwirtschaften.

Der französische Verwaltungsrat ist vergleichbar mit dem deutschen Aufsichtsrat. Seine Hauptaufgabe ist die Kontrolle des Vorstands. Aber dafür allein hat Siemens den einstigen Spitzenpolitiker nicht angeheuert. Mit dem Exaußenminister holt sich der Konzern einen gewieften Verhandler ins Haus, der über beste internationale Kontakte verfügt. „Gabriel soll offenbar als politischer Marktöffner für Siemens Alstom tätig werden“, sagte der Bahnexperte Uwe Höft von der Technischen Hochschule Brandenburg. In vielen Ländern ist der Einkauf von Lokomotiven und Waggons ein Prestigeprojekt der Regierung. „Hier kann Gabriel Türen öffnen“, ist Höft überzeugt.

Die Zughersteller in Deutschland werden sich über politische Unterstützung freuen. An Siemens und anderen hierzulande produzierenden Herstellern von Schienenfahrzeugen wie Bombardier oder Stadler hängen Arbeitsplätze in der Zulieferindustrie. Der Umsatz der knapp 200 Mitgliedsunternehmen des Verbands der Bahnindustrie in Deutschland (VDB) geht tendenziell zurück. Die Firmen verbuchen zwar steigende Aufträge im Inland, aber Umsatzverluste im Auslandsgeschäft – vor allem wegen Konkurrenten aus Fernost.

Mit Siemens Alstom soll ein schlagkräftiges neues Unternehmen entstehen, das vor allem dem chinesischen Branchenriesen CRRC besser gewachsen ist. Das neue Unternehmen wäre nach CRRC zwar der zweitgrößte Bahnhersteller der Welt. Trotzdem wird CRRC zweimal größer sein als das fusionierte Unternehmen. Auf dem globalen Eisenbahnmarkt ist Größe ein wichtiger Faktor. Denn je größer ein Unternehmen, desto billiger kann es herstellen. Hinzu kommt, dass CRRC vom chinesischen Staat subventioniert wird. Und der Konkurrent rückt näher. „CRRC ist dazu in der Lage, in Europa Fuß zu fassen“, sagte der Bahnexperte Uwe Höft von der Technischen Hochschule Brandenburg. Das kann zum Beispiel durch Übernahmen von Firmen geschehen.

Auch wenn es um die Frage geht, ob Siemens Alstom künftig in Deutschland oder Frankreich Züge baut, könnte Gabriel an Weichenstellungen beteiligt sein, sagte Höft. Denn es ist unwahrscheinlich, dass auf Dauer der ICE und der TGV gebaut werden. Der Bahnexperte erwartet, dass es in zehn Jahren einen deutsch-französischen Zug geben wird.

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