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„Es gibt keinen lieben Gott im Klimaschutz“

Die Bremer Umweltrechtsgespräche debattieren die Umsetzung des Pariser Klimaschutzabkommens. Das Abkommen ist ein Beispiel für transnationales Recht – dabei sind gerade nicht-staatliche Akteure relevant, sagt der Jurist Claudio Franzius

Klagt ein peruanischer Bauer vor deutschen Gerichten gegen die Kraftwerke von RWE, kann nur ein trans-nationales Verständnis des Klimaschutzrechtes helfen, sagt der Jurist Claudio Franzius Foto: Oliver Berg/dpa

Von Jördis Früchtenicht

taz: Die Bremer Umweltrechtsgespräche befassen sich in diesem Jahr mit dem Klimaschutzrecht. Was gehört zu diesem Rechtsgebiet, Herr Franzius?

Claudio Franzius: Das Klimaschutzrecht ist ein junges Rechtsgebiet. Neben dem Umweltvölkerrecht, insbesondere dem Pariser Klimaschutzabkommen, gibt es viele Gesetze, zum Beispiel das Erneuerbare-Energien-Gesetz. Die Fokussierung auf den Stromsektor greift aber zu kurz. Es muss viel weiter gefasst werden. Zudem reicht auf Bundesebene der nationale Klimaschutzplan nicht aus. Das ist zu vage. Deshalb fordern Juristen, dass der Plan in ein Bundesgesetz gegossen wird.

Für Sie ist das Pariser Klimaabkommen ein Beispiel für transnationales Umweltrecht. Was bedeutet das?

Das transnationale zeichnet sich gegenüber dem internationalen dadurch aus, dass viel stärker auf die nicht-staatlichen Akteure abgestellt wird, etwa Nichtregierungsorganisationen, aber auch Unternehmen. Nicht-staatliche Akteure sollen stärker in die Regulierung eingebaut werden. Sicherlich mag es im Paris-Abkommen, anders als noch im Kyoto-Protokoll, keinen scharfen Sanktionsmechanismus für die Nichterreichung der vereinbarten Ziele geben. Das kann man als Rückschritt bezeichnen. Ich würde aber behaupten, dass es ein Fortschritt ist, weil das Paris-Abkommen ganz bewusst auf gesellschaftliche Kontrollen setzt. Es nimmt den Druck der Straße auf. Die Hoffnung ist, dass die politische Kontrolle so stark sein wird, dass es sich ein Staat nicht erlauben kann, die Ziele nicht zu erreichen. Das Abkommen setzt darauf, dass man Abstand nimmt von der Vorstellung, dass es so etwas gibt wie einen lieben Gott im Klimaschutz, der alles regeln oder kontrollieren könnte. Die Idee ist, nicht Top-down, sondern Bottom-up den Klimaschutz zu stärken. Ich halte das für keinen falschen Ansatz.

Nicht-staatliche Akteure prägen also die Transnationalisierung des Rechts?

Die Einbeziehung nicht-staatlicher Akteure ist das erste Kennzeichen. Und bei einem engen Verständnis von Transnationalisierung auch das einzige. Ich vertrete aber ein weites Verständnis von transnational. Denn es kommt als zweites hinzu, dass die Grenze zwischen national und international verschwimmt. Wir können nicht mehr sauber zwischen Völkerrecht und nationalem Recht trennen, sondern müssen viel stärker sehen, dass sich die Rechtsordnungen wechselseitig füreinander öffnen. So wird eingesehen, dass wir eben nicht einfach alle Staaten weltweit an einen Tisch bekommen und den Ausstieg aus der Kohle beschließen können – an der Stelle setzt man vielmehr auf die einzelnen Staaten. Noch besser zeigt sich die Transnationalisierung in den Klimaklagen vor Gericht.

Inwiefern?

Claudio Franzius, 55, Professor für Öffentliches Recht ­– insbesondere Verwaltungs- und Umweltrecht – an der Universität Bremen, leitet die dortige Forschungsstelle für Europäisches Umweltrecht (FEU).

So klagt ein peruanischer Bauer vor den Zivilgerichten in Deutschland gegen RWE auf Unterlassung, weil der CO2-Ausstoß der RWE-Kraftwerke die Gletscher über seinem Dorf schmelzen lässt. Das kann nur ein transnationales Verständnis des Klimaschutzrechtes erklären.

Warum ist es wichtig, das Umweltrecht transnational zu denken?

Weil wir eben weder die eine noch die andere Ebene für allein maßgeblich erklären können. Wenn wir das Umweltrecht so denken, dass wir sagen, wir brauchen eine internationale Regelung mit verbindlichen Reduktionsverpflichtungen für alle Staaten, dann können wir lange warten. Das ist wahnsinnig mühsam und als einzig wahre Strategie auch nicht empfehlenswert, denn das Abstellen allein auf die Staaten ist nicht zielführend. Wie lange hat es gedauert bis zum Paris-Abkommen? Wie lange hat es gedauert, bis man das Kyoto-Protokoll hatte?

Sehr lange.

Ich glaube, dass man mit einer Verknüpfung der Ebenen – der internationalen, der europäischen, der nationalen – eine bessere Ordnung entwickeln kann, die nicht völkerrechtlich blind ist, die aber zur Erreichung der internationalen Ziele Ressourcen anzapft, die, weil sie im nationalen Kontext wurzeln, den erforderlichen Maßnahmen die erforderliche Legitimation verleihen können.

Das Pariser Abkommen

Zum ersten Mal haben 196 Staaten am 12. Dezember 2015 in Paris einen völkerrechtlich bindenden Vertrag beschlossen, um den Klimawandel zu bremsen und seine Auswirkungen abzufedern. Das Abkommen soll dafür sorgen, dass die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad Celsius im Vergleich zur vorindustriellen Zeit beschränkt wird.

In Kraft getreten ist der Pariser Klimavertrag am 4. November 2016. Voraussetzung dafür war, dass mindestens 55 Staaten, die für mindestens 55 Prozent der globalen Treibhausgase verantwortlich sind, den Vertrag ratifiziert hatten. Das Pariser Protokoll soll 2021 an die Stelle des Kyoto-Protokolls treten.

Das Pariser Protokoll setzt auf nationale Selbstverpflichtungen, sogenannte „Intended Nationally Determined Contributions“, also „geplante national bestimmte Beiträge“.

Die USA haben unter Präsident Donald Trump den Rückzug aus dem Vertrag angekündigt, weil sie das Zwei-Grad-Ziel nicht anerkennen. Nicaragua und Syrien sind dem Abkommen beigetreten.

Das heißt, die Transnationalisierung schafft auch eine Verbindlichkeit?

Ja, weil Quellen und Ressourcen angezapft werden, die im nationalen Kontext liegen. Wenn die Staaten sich international einigen sollten, aus der Kohle auszusteigen – was heißt das? Trump sagt: „Das interessiert mich nicht.“

Und dann?

Entscheidend ist, was wir national zur Erreichung der verbindlich festgelegten Ziele tun. Die Ziele stehen völkerrechtlich fest, aber die Umsetzung wird den einzelnen Staaten, ihren Organen und der nationalen oder subnationalen Öffentlichkeit überlassen. Wenn der nationale Gesetzgeber im Lichte der Ziele des Paris-Abkommens etwa den Kohleausstieg beschließt, dann leistet man ihm Gefolgschaft. Anders als im internationalen Raum vertrauen wir eben den staatlichen Institutionen. Und je drängender und gravierender die Maßnahmen werden, desto wichtiger ist deren demokratische Legitimation – und die kommt nicht aus dem Völkerrecht. Ohne das nationale Recht bringt das Völkerrecht nicht viel.

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