: Kein Beach-Bar-Irrsinn im Berliner Tiergarten
Natalie Tenbergs Gastro-Kritik: Das Restaurant Auster mit Biergarten im Haus der Kulturen der Welt gibt sich trendresistent. Zum Glück für die Besucher
Es ist ein Kreuz mit der Gastronomie in Berlin. Wer kann, der bestellt eine Lkw-Ladung Sand und hofft auf die Wirksamkeit dieses Marketingtricks. Jeder Quadratmeter Beach-Bar-tauglichen Bodens wird in eine Strandhölle verwandelt. Noch Tage später erinnern Sandkörner, die aus Taschen und Schuhen rieseln, an den Besuch. Der Gast indes ist den Sand schon so gewohnt, dass eine Strandbar in Berlin inzwischen nicht mehr ist als eine normale Eckkneipe – nämlich gewöhnlich. Das Bemerkenswerteste am Biergarten des Restaurants Auster im Haus der Kulturen der Welt im Tiergarten ist somit vor allem, dass er der Versuchung widersteht, eine Beach Bar sein zu wollen. Der Platz wäre perfekt dafür. Die Spree fließt vorn am Biergarten vorbei, trotzdem knirscht Kies unter den Füßen, welch eine Abwechslung!
Wer in der Auster direkt an der Spree sitzen möchte, muss auf den freundlichen Service auf der höher gelegenen Terrasse verzichten: Die Auster ist eine Zwei-Klassen-Gesellschaft: Oben Service, unten Selbstbedienung. Das niedrige Leben führt hier aber keinesfalls zum Verdruss. Unten ist top! Ein belebter Rad- und Spazierweg führt durch den Biergarten, neben den Gästen an den Tischen gibt es also noch genug Menschen, denen man bei der Freizeitgestaltung zusehen kann. Wem es zu langweilig ist, dabei der Spree beim Fließen zuzusehen, der kann auf das Kanzleramt schauen oder auf das Moabiter Werder. In schöner Regelmäßigkeit fahren Ausflugsdampfer am Biergarten vorbei, einige halten auch und entlassen ihre Passagiere an dieser Stelle, was zu einer angenehmen, intervallhaften Betriebsamkeit führt.
Nicht wenige der ausgestiegenen Passagiere stürzen sich auf den Getränkeverkauf oder das Herzstück des Biergartens: den Grill. Zwar stehen auf der Karte der oberen Terrasse sehr wenige, aber dafür interessant klingende Gerichte, die den internationalen Charakter des Hauses unterstreichen. Aber unten gibt es Wurst vom Rost. Die ist wie eine Wurst sein sollte: lecker und günstig. Genau wie die Folienkartoffeln und das Schnitzel vom Huhn. Ungenießbar ist hingegen der Pastasalat. Man kaut auf einem Mysterium, das im Entfernten mit Hartweizengrieß zu tun hat. Das Schlucken dient dann lediglich der einfachen Entsorgung des Essens. Dem Kartoffelsalat fehlt es an Salz, nicht aber an Öl. Nein, zum Beilagenessen sollte man lieber nicht in den Biergarten der Auster kommen. Wer Fleisch mag oder auch Bier oder Limonade, dem sei dieses Lokal aber empfohlen. Ein Einjähriger versuchte während seines Besuchs, eine ganz andere Spezialität des Hauses zu essen: die Kieselsteine vom Boden. Seine Mutter konnte es verhindern, aber man möchte ihr sagen: „Siehst du? Zum Glück kein Sand!“
Biergarten des Restaurants Auster, John-Foster-Dulles-Allee 10, 10557 Berlin, Tel.: 39 03 26 16, S-Bahn: Hauptbahnhof Lehrter Bahnhof, Getränke ab 2 Euro, Fleisch vom Grill ab 1,50 Euro