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Eins, zwei – viele!

Familienplanung ist in aller Munde. Theoretisch möglich, sieht es in der Realität mit der Planbarkeit von Familie jedoch anders aus. Die Unwägbarkeit beginnt bei der Verhütung

Von Ansgar Warner

„Familien kriegen oft Kinder, man weiß nicht genau warum“, heißt es ironisch in Irene Disches Erzählung „Esterhazy“ – und ganz so falsch liegt die Autorin damit nicht: denn auch im Deutschland des 21. Jahrhunderts ist jede dritte Schwangerschaft ungeplant, wenn auch in vielen Fällen nicht unbedingt unerwünscht. Als Forscherinnen und Forscher des Sozialwissenschaftlichen Frauenforschungsinstitut Freiburg (SoFFIF) in einer mehrjährigen Studie rund 4.000 Frauen zum Thema Verhütung, Partnerschaft und Schwangerschaft befragten, kam heraus: 17 Prozent der Zwanzig- bis Vierzigjährigen Studienteilnehmerinnen waren schon einmal ungewollt, also ohne expliziten Kinderwunsch, schwanger. Inklusive der Frauen, die zwar grundsätzlich Kinder wollten, aber zu einem anderen Zeitpunkt, liegt die Quote sogar bei 33 Prozent. Die große Mehrheit der Deutschen – Männer ebenso wie Frauen – sagen allerdings ja zu Kindern, unabhängig vom Zeitpunkt. Besonders hoch im Kurs bei (noch) kinderlosen Bundesbürgern unter dreißig stehen zwei Kinder als Ziel der Familienplanung, nur wenige nennen dagegen ein Kind oder drei und mehr als ihren Wunsch.

Und so oder ähnlich kommt es meist auch: denn selbst wenn die Familiengründung heutzutage ein paar Jahre länger hinausgeschoben wird als in früheren Jahrzehnten und die Familienmodelle deutlich stärker variieren – mit Anfang vierzig sind auch heute noch drei Viertel der Frauen Mütter, genau wie es noch in den 1980er Jahren der Fall war. Das zeigen Vergleichszahlen, die im Rahmen des Mikrozensus erhoben wurden. Gleichzeitig gilt aber, dass „Familienplanung“ als Begriff mehr Planbarkeit verspricht, als im Alltag tatsächlich erreicht wird – und das gilt nicht nur für das erste Kind. Auch das „Spacing“, also der Abstand zwischen einzelnen Geburten, lässt sich oft nicht so perfekt planen, wie man es gerne hätte.

Ein Grund liegt auf der Hand: ein Viertel der Paare – bei Mittdreißigern sogar ein Drittel – vertraut auf Kondome. Die zweitwichtige Verhütungsmethode nach der Pille gilt unter Experten jedoch als ziemlich unzuverlässig. Auf dem sogenannten Pearl Index wird sie mit 2 bis 12 eingestuft: 12 von 100 Frauen werden trotz Kondom schwanger. Bei der Pille liegt die Quote maximal bei 1, bei einer Hormonspirale bei 0,2. Das Kondom spielt damit in einer Liga mit dem Coitus interruptus, der bei bis zu 18 von 100 Frauen zur Schwangerschaft führt. Zumindest, wenn die pharmazeutische Ultima Ratio nicht ebenfalls versagt. 14 Prozent der befragten Frauen gaben an, schon mindestens einmal die „Pille danach“ genutzt zu haben, bei den unter Dreißigjährigen ist es sogar jede fünfte. Dann vielleicht doch besser die „Pille davor“, idealerweise mit Kondom kombiniert. Denn auch die klassische Antibabypille sollte nicht überschätzt werden – sowohl stress- oder krankheitsbedingte Störungen im Hormonhaushalt wie auch die schlecht organisierte Einnahme können die empfängnisverhütende Wirkung ausknocken. Und so sind unter den ohne Absicht gezeugten Kindern auch diverse „Pillenbabies“.

Familienplanung nur mit Verhütung oder bewusstem Verzicht darauf gleichzusetzen, würde aber viel zu kurz greifen. Denn ebenso wie ungewollte Schwangerschaften gibt es auch ungewollte Kinderlosigkeit – um die sich eine wachsende Zahl von „Kinderwunsch“-Kliniken kümmert. Mittlerweile kommen hierzulande Jahr für Jahr durch diverse Methoden der künstlichen Befruchtung mehr als 20.000 Kinder zur Welt, deutlich mehr als noch zur Jahrtausendwende. Insgesamt werden in Deutschland pro Jahr mehr als 700.000 Babies geboren.

Ausführliche Zahlen und Fakten zu den verschiedenen Behandlungsformen werden beim Deutschen IVF-Register erfasst (IVF steht dabei für „In-Vitro-Fertilisation“, also „Befruchtung im Reagenzglas“), demnach liegt die Erfolgsquote pro Behandlungsrunde im Schnitt irgendwo zwischen 10 und 20 Prozent.

Am allerwenigsten planen lässt sich natürlich die Zukunft der jeweiligen Paarkonstellation rund um das Kinderglück. Die Scheidungsquote lag im Jahr 2016 in Deutschland bei 40 Prozent, auf 100 geschlossene Ehen kamen also rein rechnerisch 40 Scheidungen. Nimmt man die Ehe stellvertretend für Beziehungsschicksale insgesamt, hat die Statistik des letzten Jahrzehnts übrigens auch eine gute Nachricht parat: Es gibt einen Trend zu weniger Scheidungen und zudem – bezogen auf die vorherige Ehedauer – länger haltenden Beziehungen.

Wenn mit Nachwuchs gesegnete Paarbeziehungen in die Brüche gehen, springen allerdings auch heute noch zumeist die Frauen in die Bresche: Es gibt deutlich weniger alleinerziehende Väter als Mütter, die mit mindestens einem Kind zusammenleben. Entstehen neue Paarkonstellationen von Partnern mit Kindern, ändert sich daran auch nichts: In deutschen Patchworkfamilien dominieren Stiefväter, nur jede dritte „Stieffamilie“ hat eine Stiefmutter. Die „Kernfamilie“ aus zwei Elternteilen und selbst produziertem Nachwuchs bleibt aber nach wie vor die am häufigsten vorkommende Familienform in Deutschland, knapp 80 Prozent aller Familien sind nach diesem traditionellen Muster geformt. Den Rest teilen sich zu etwa gleichen Teilen Alleinerziehende und Patchworkkonstellationen.

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