piwik no script img

Angst vor Europa

Durch die Neuverteilung der europäischen Startplätze ist der Kampf um die internationalen Plätze in der Liga besonders brisant

Schwierige Planspiele: Hoffenheims Trainer Nagelsmann bereitet der Blick auf die Tabelle derzeit Kopfzerbrechen Foto: dpa

Von Frank Hellmann

Der 3. August 2017 war ein heißer Tag in Ljubljana und ein bitterer Abend für den deutschen Fußball. An jenem Donnerstag verabschiedete sich damals der SC Freiburg von seinen internationalen Ambitionen. Das Hinspiel hatte der Überraschungssiebte der Bundesliga gegen NK Domžale noch mit 1:0 gewonnen, doch im Rückspiel musste man eine 0:2-Niederlage hinnehmen. Das Ausscheiden in der dritten Runde der Europa-League-Qualifikation. Christian Streich schien darüber im Nachhinein gar nicht einmal todunglücklich, denn der Trainer ahnte schon, dass der Überlebenskampf im Liga-Alltag alle Kräfte erfordern würde.

Wegen einiger Reformen in den Europapokalwettbewerben stellt die Bundesliga zur neuen Spielzeit bekanntlich vier fixe Starter für die Champions League und zwei für die Europa League. Die Kehrseite der Medaille: Der siebte Vertreter muss mehr Hürden nehmen als je zuvor, um die Europa League zu erreichen. Besagter Bundesligist steigt bereits in der zweiten Qualifikationsrunde ein. Inklusive der Play-off-Partien würden damit sechs Partien bis zur Gruppenphase warten. Zuletzt haben in Runde zwei Klubs wie FK Qairat Almaty, FK Liepāja, Ertis Pawlodar oder KF Shkëndija mitgespielt. Expeditionen in die Nischen des erweiterten Europas sind reisetechnisch kompliziert und sportlich mühselig, denn zu verlieren haben solche Teams nichts. „Verfolgerweg“ nennt die Europäische Fußball-Union (Uefa) die Tretmühle, die für einen Bundesligisten Mitte und Ende Juli, also einen Monat vor Liga-Start, beginnt.

Julian Nagelsmann, Trainer von 1899 Hoffenheim, hat ausgerechnet, dass in der Hinrunde dann bis zu 32 Spiele warten könnten. „Dann kann sich mein Videoanalyst von seiner Freundin trennen und hier im Trainingszentrum schlafen“, scherzte der 30-Jährige kürzlich in Richtung seines Vertrauten Benjamin Glück. Nagelsmann will auf die europäische Bühne zurück, auch um sich persönlich als Fußballlehrer weiterzuentwickeln – aber nicht um jeden Preis. Diese Form vorgezogener Pflichtspiele würde, speziell in einem WM-Jahr, jedwede geordnete Saisonvorbereitung konterkarieren.

Daher fordert Nagelsmann: gleich unter den ersten fünf landen, dann ist alles gut. Der Tabellenfünfte ist genau wie der Pokalsieger direkt für die Gruppenphase der Europa League qualifiziert. Dasselbe gilt auch für den Tabellensechsten, sofern der FC Bayern den DFB-Pokal gewinnt. Doch der Einzug von Eintracht Frankfurt ins Endspiel hat die Planungssicherheit zunichte gemacht.

Auf den Siebten würden nächste Hinrunde bis zu 32 Spiele warten

Bei der Konstellation FC Bayern gegen FC Schalke 04, vorausgesetzt, die Königsblauen verspielen nicht noch ihren Champions-League-Rang, hätte festgestanden, dass der Tabellensiebte auf den „Verfolgerweg“ geht. Nun aber hängt auf einmal alles vom Pokalfinale ab. Sollte die Eintracht gewinnen, zöge sie direkt in die Europa League ein. Und je nachdem, wo sich die Hessen in der Endtabelle wiederfinden, muss gegebenenfalls der Sechste seine Sommerplanung neu justieren.

Plötzlich erhält heute nicht nur das Topspiel Borussia Dortmund gegen Bayer Leverkusen, Vierter gegen Dritter, sondern auch das Aufeinandertreffen von RB Leipzig und 1899 Hoffenheim, Fünfter gegen Sechster, eine viel größere Relevanz. Speziell die Sachsen, derzeit vier Punkte hinter Platz vier zurück, schielen ja auf die Champions League. Man stelle sich nur vor, dass die von Real Madrid oder Manchester United träumenden Timo Werner und Co. auf einmal bei Astra Giurgiu oder MFK Ružomberok antreten sollen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen