piwik no script img

boulevard der bestenRüdigerRossig

Es gibt, soweit man überhaupt an so etwas glauben mag, sehr verschiedene Vorstellungen von Himmel. In der Ewigkeit nach diesem Leben mit Rüdiger Rossig durch den Balkan zu fahren, ist eine der meinen. In einem Audi 80, Kroatien, Bosnien, Serbien, die Straßen immer weiter, Sonne auf der Windschutzscheibe, im Radio Nervozni poštar. Diese Band aus dem Sarajevo der 80er klingt als wäre der Tourbus einer Metalband in den einer bosnischen Volksmusikgruppe gerast und alle, die das überlebt haben, hätten dann einfach zusammen weitergespielt.

Rüdiger hat mir viele Geschichten über diese Band erzählt, die ich vergessen habe, wie ich auch vergessen habe, warum die Nachkommen der Römer in den balkanischen Bergen Wlachen heißen, was die Walachei damit zu tun hat und wie die Polen Italien nennen. Wlochi oder so ähnlich.

Ich habe viele Sachen vergessen, was nicht einmal am Schnaps liegt, den man in Ex-Jugoslawien niemals in einem Supermarkt kaufen darf. Travariza (Kräuter), Slivoviza (Pflaume) und alle anderen Izas erwirbt man von einem Typen, der das Zeug auf einem Parkplatz am Stadtrand aus seinem Kofferraum holt. Nein, Vergessen ist bei Rüdiger Selbstverteidigung.

Lektionen von einem Freund

Dieser Mann weiß viel. Dieser Mann liebt mit großen Herzen. Besonders seine Angetraute, den Balkan. Und weil er sie so sehr liebt und von ihr so viel weiß, redet er viel über sie. Er hat in jedem Dorf zwischen Slowenien und Montenegro, Freunde oder Menschen, die sehr überzeugend so tun als wären sie es. Die reden ­ebenfalls viel. Hätte ich das alles im Kopf behalten, wäre der zwischen Pale und Mostar explodiert.

Apropos Pale. Erinnern Sie sich noch an diesen Namen? Aus den Nachrichten während der Jugoslawienkriege? Als Junge hörte ich das so oft: Pale, die Serbenhochburg. Menschen, die Journalisten seltsam finden, haben immer Hochburgen. AfD-Wähler zum Beispiel. Pale war die erste Hochburg meines Lebens und die wollte ich unbedingt sehen. Ich stellte mir Mordor vor. Rüdiger hat die rechte Augenbraue hochgezogen und mich hingefahren. Ich erinnere mich an ein verlassenes Café an einer verlassenen Straßenkreuzung. Kein Mensch zu sehen, das einzige Auto war unseres. Danke für diese Lektion, mein Freund. Und jetzt?

Nach 25 Jahren verlässt du nun die taz, um deiner Angetrauten ein großes Stück näher sein zu können: Alles Gute als Chef für das Bosnische, Kroatische und Serbische bei der Deutschen Welle. Genieße es, die Ewigkeit kann noch etwas warten. Daniel Schulz

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen