: Mit bestimmten Gefühlen arbeiten
Ein Gast zu später Stunde auf dem taz lab: Arlie Russell Hochschild
Arlie Russell Hochschildist Professorin für Soziologie an der University of California in Berkeley und Autorin.
taz am Wochenende: Sie haben viel zu Emotionsarbeit geforscht. Was verstehen Sie unter dem Begriff „Emotionsarbeit?“
Arlie Russell Hochschild:Emotionsarbeit ist die Arbeit, die wir leisten, um unsere Gefühle zu steuern – indem wir etwa extra ein Lächeln abrufen oder Unsicherheit unterdrücken, entsprechend den Anforderungen des jeweiligen Jobs. Viele Jobs fordern von uns, bestimmte „Gefühlsregeln“ zu befolgen. Gefühlsregeln sind gesellschaftlich geteilte Normen, die beeinflussen, wie Menschen versuchen, bestimmte Gefühle in bestimmten gesellschaftlichen Kontexten zu zeigen.
In welchen Berufen spielt solche Gefühlsarbeit eine wesentliche Rolle?
Die meisten Arbeitenden im wachsenden Servicesektor benutzen Elemente der Gefühlsarbeit, etwa Flugbegleiter*innen, Rechnungseintreiber*innen, Erzieher*innen, Verkäufer*innen, Frisör*innen, Krankenpfleger*innen, Ärzt*innen, Bestatter*innen, Lehrer*innen, aber auch Manager*innen, Richter*innen oder Anwält*innen. Eben all jene, die auf Arbeit persönlichen Kontakt mit Teilen der Öffentlichkeit haben.
Inwiefern kann Emotionsarbeit für Angestellte Stress verursachen?
In manchen Arbeitssituationen ist man widersprüchlichen Gefühlen ausgesetzt, weil man anders fühlt, als es die professionellen „Gefühlsregeln“ einfordern. Etwa wenn einem die Unsicherheit eines befristeten Arbeitsvertrags Sorgen bereitet, man sich aber im Job anderen Menschen gegenüber ruhig und beruhigend verhalten soll. Oder wenn ein straffer Arbeitszeitplan verhindert, dass man sich genügend Zeit für die Kinder nehmen kann, bevor sie morgens zur Schule gehen. Man sich deswegen später bei der Arbeit um sie sorgt, aber dennoch so tun muss, als ob man total in seine Arbeit vertieft ist.
Inwiefern hat die Globalisierung die Emotionsarbeit verändert und wird es auch noch weiter tun?
Ein Aspekt der Globalisierung ist die wachsende Zahl sogenannter Wanderarbeiter*innen. Etwa Pfleger*innen, die ihre eigenen Kinder und alten Verwandten in Mexiko oder auf den Philippinen zurücklassen, um sich um andere Kinder und alte Menschen in einem der Industrieländer zu kümmern.
Einige Firmen bieten eine große Auswahl an Freizeitangeboten oder sogar Entspannungsräume auf der Arbeit an. Das heißt, die Pause ist nicht mehr länger „geschützt“: Kontrollieren damit Arbeitgebende die Gefühle von Arbeitnehmenden?
Natürlich, denn damit entspannt man sich so, wie die Firma es will. Viele Firmen haben die Freizeit auf ihre Arbeitsgelände verlagert – gerade Firmen im Silicon Valley wie Google und Facebook sind da die Prototypen. Gina Bucher
Late-Night-Talk mit Arlie Russell Hochschild über Skype auf dem taz lab : 19.30 Uhr, K1
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