: Erst pusten, dann starten
Schweden will Alkoholschlösser in Autos zur Pflicht machen, weil diese zum klaren Kopf am Steuer zwingen. Dazu braucht es aber die EU. Die Tests sind erfolgreich
STOCKHOLM taz ■ Ein Schlauch mit einem Mundstück führt zu einer Messapparatur. Und die ist mit dem Stromsystem des Autos gekoppelt. Das mit kräftigem Pusten zu öffnende Alkoholschloss ist bereits für tausende von Autofahrern in Schweden zur Routine geworden. Wenn am Mittwoch EU-Transportkommissar Jacques Barrot zu einem Besuch nach Stockholm kommt, wird die schwedische Verkehrsministerin Ulrica Messing ihm das System demonstrieren und einen Antrag mit nach Brüssel geben: Schweden soll zum Versuchsland für die obligatorische Einführung des Alkoholschlosses werden.
Das Land selbst will ab 2012 das Gerät in allen neu zugelassenen Pkws und bereits zwei Jahre vorher für alle Busse und Lkws zum verpflichtenden Standard machen. Weil dies aber als Handelshemmnis in der EU ausgelegt werden könnte, wollen die Schweden Brüssel mit ins Boot holen. Seit einigen Jahren schon wird das Alkoholschloss in Schweden getestet. Einige Verwaltungen, Taxi-, Omnibus- und Lkw-Betriebe haben es in ihre Fahrzeuge eingebaut. Und für FahrerInnen, die alkoholisiert am Steuer erwischt worden sind – in Schweden gilt eine Grenze von null Promille –, ist das Gerät eine Alternative.
Damit können sie einen Führerscheinentzug umgehen. Mit einem ärztlichen Attest, das grundsätzliche Geeignetheit signalisiert, dürfen sie sich um die Teilnahme an einem Versuchsprojekt bewerben, das Alkoholschloss einbauen lassen und so den Führerschein behalten. Außer der Blaserei müssen sie ein zweijähriges Begleitprogramm absolvieren, in das regelmäßige Gesundheitsunter-suchungen und Informationsveranstaltungen eingehen. Sobald ein alkoholgeschwängerter Atemzug registriert wurde, ist allerdings Schluss.
Die Kosten für das gesamte Programm, etwa 3.500 Euro, muss der Alkoholsünder aber selbst tragen. Bislang geht daher auch nur eine Minderheit von unter 15 Prozent der jährlich in Schweden ertappten 6.000 bis 7.000 Fahrerinnen diesen Weg. Vorwiegend solche, die den Führerschein beruflich zwingend brauchen. Und tatsächlich schaffen über 60 Prozent von ihnen das Programm.
Eine so positive Bilanz, meinen 80 Prozent der Schweden, beweise den Wert einer obligatorischen Einführung. Knapp 1.000 Euro kostet ein Alkoholschloss derzeit, ein Serieneinbau dürfte diese Kosten deutlich senken – und erheblichen Schaden mildern. Denn immerhin in ein Viertel bis ein Drittel aller tödlichen Autounfälle sind alkoholisierte FahrerInnen verwickelt. Geschätzte gesamtgesellschaftliche Kosten: eine Milliarde Euro. In Deutschland gehen fast 1.000 Verkehrstote pro Jahr auf das Konto von Trunkenheitsfahrern, jährlich werden von den Gerichten rund 100.000 Führerscheine wegen Alkohol entzogen.
REINHARD WOLFF