Werkeln fürs Wohnen – gegen den Leerstand

Ausbauhäuser bieten Mietern viel Fläche für wenig Geld sowie die Freiheit, die Wohnungen nach eigenen Vorstellungen herzurichten. Und auch der Eigentümer kann profitieren

Sanierung durch die Bewohner: Mieterbaustelle in der Eisenbahnstraße Foto: Katharina Müller-Güldemeister

Von Katharina Müller-Güldemeister

Eigentlich hatten Kati Subat und Carl Hede nach der Geburt ihres Sohnes nur nach einer größeren Wohnung gesucht. Sie wollten im Leipziger Osten bleiben, im Viertel rund um die multikulturelle Eisenbahnstraße, wo sie seit Jahren wohnen. Doof nur, dass die Eisenbahnstraße langsam hip wird. Bioläden und Cafés ziehen in die Ladengeschäfte zwischen Orient-Supermarkt und Barbier; leer stehende Häuser kosten nach der Kernsanierung mehr als 10 Euro warm. Zu viel für Subat und Hede, die irgendwo zwischen Studium, Beruf und ihrer neuen Rolle als Eltern schweben. Dann sah Subat das gelbe Banner mit der Aufschrift „Ausbauhaus“.

Die Leipziger Ausbauhäuser sind ein Modellprojekt des Vereins Haushalten, das zum Ziel hat, leerstehende Altbauten vor dem Verfall zu bewahren. Denn obwohl Leipzig seit Jahren um mehr als 10.000 Einwohner pro Jahr wächst, gibt es Altbauten, für die sich eine klassische Sanierung nicht rechnet. Bei diesen Häusern kann das Ausbauhaus-Konzept eine Lösung sein – Mieter bekommen viel Fläche für wenig Geld und Eigentümer eine Wertsteigerung, ohne viel zu investieren. In den letzten Jahren sind in Leipzig auf diese Weise acht Mehrfamilienhäuser ausgebaut worden.

In der Eisenbahnstraße 128 haben die Eigentümer rund 400.000 Euro für Trockenbau, Heizung, Fenster und Elektrik investiert, der Rest war Mieter­sache. Böden mussten abgeschliffen, wenn nicht gar verlegt werden, Wände verputzt und das Bad eingebaut werden. Dafür kostet eine der 144 Quadratmeter großen Wohnungen mit Dielen nur 504 Euro kalt – pro Quadratmeter 3,50 Euro.

Eine der Fünfzimmerwohnungen für sich alleine war den jungen Eltern dann aber doch zu groß und zu viel Arbeit. Sie fragten Carl Hedes Schwester und ihre Freundin, und die Idee einer Familien-WG gefiel den beiden.

Die Mieter retten die leerstehenden Häuser vor dem Verfall

Bevor es losgehen konnte, mussten noch die Zweifel der Eigentümer beseitigt werden. Alexander Eisenhut und Norman Kindler hatten die Immobilie in einem Paket gekauft; die Nummer 128, zu der Vorderhaus, Hinterhaus und ein Hof gehören, hatte jahrelang leer gestanden. „Bei dem Standort wär ich im Leben nicht auf die Idee gekommen, mein Geld in eine Vollsanierung zu stecken“, sagt Kindler. Zu niedrig die Mieten, die man in der Eisenbahnstraße verlangen kann.

Als der Verein ihnen dann das Ausbauhaus-Konzept vorschlug, errechneten sie, dass sie durch die Eigenleistung der Mieter mindestens 250.000 Euro einsparen würden. Nachdem die Bewerber dann mit leuchtenden Augen ihre Konzepte vorgestellt hatten, sagten Kindler und Eisenhut zu. „Wahrscheinlich werden die Mieter sehrpfleglich mit dem Haus um­gehen, weil sie selbst viel Geld und Arbeit reingesteckt haben“, sagt Eisenhut.

Tatsächlich merkt man der Familien-WG eine besondere Identifikation mit der Wohnung an, als sie über die Baustelle führt. Die Dielen sind abgeschliffen und frisch geölt, die freistehende Badewanne mit Löwenfüßen wartet darauf, installiert zu werden. „Wir machen es gerne selber“, sagt Kati Subat. Zum einen, weil es schön ist, zum anderen, weil ihnen keiner reinredet. „Laminat und Raufasertapete ist halt nicht so unsers.“

Wenn sie nicht weiterwussten oder das passende Werkzeug fehlte, gingen sie eine Etage höher oder tiefer. „Jeder hilft sich und man lernt sich schnell kennen“, sagt Hede. „Noch bevor man zusammenwohnt, hat man eine tolle Hausgemeinschaft.“ Dass die Parteien im Haus auf einem Nenner sind, darauf achtet Haushalten bei der Auswahl genau. „Sonst entstehen nur Konflikte wegen der unterschiedlichen Tagesabläufe“, sagt Volker Schulz vom Verein.

Baldige Mieterwechsel möchte man vermeiden. Immerhin investieren die Mieter pro Großwohnung zwischen 2.000 und 15.000 Euro und jede Menge Stunden. Die Familien-WG hat rund 5.000 Euro ausgegeben; zwischen Anfang und Einzug lagen sechs Monate Arbeit. „Damit sich das lohnt, müssen wir schon ein paar Jahre wohnen bleiben“, sagt Carl Hede. Bis 2023 bleibt die Miete bei 3,50 Euro pro Quadratmeter. In elf Jahren wird sie knapp unter 5 Euro liegen, dann sogar mit Balkon. Mit dieser Miete kann die WG gut leben.

Auch die Eigentümer sind froh, dass sie sich auf das Experiment eingelassen haben. „Bei einem günstigen Kaufpreis lassen sich durch die Abschreibungsmöglichkeiten gute Renditen erzielen“, sagen sie. Allerdings werden günstige Häuser in Leipzig seltener. Der ungebrochene Zuzug lässt die Preise steigen, und ist der Kaufpreis zu hoch, verliere das Konzept an Attraktivität.