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Alles prima!

Vor dem DFB-Pokalhalbfinale bei Schalke 04 betont Eintracht Frankfurts TrainerNiko Kovac die gute Stimmung im Team. Dabei könnte die Unruhe kaum größer sein

Aus Frankfurt Frank Hellmann

Schon der federnde Gang und das feine Grinsen verrieten: Niko Kovac war an diesem sonnigen Dienstag im Frankfurter Stadtwald bester Laune. Einen Pullover hatte der Trainer von Eintracht Frankfurt locker über die Schulter gelegt, und dass die Pressekonferenz vor dem DFB-Pokal-Halbfinale beim FC Schalke 04 (Mittwoch 20.45 Uhr/live ARD) ausnahmsweise in einem direkt neben dem Stadion gelegenen Hotelkomplex stattfand, war ihm eh egal.

Die Aussicht, im zweiten Jahr hintereinander mit den Hessen die Bühne seiner Heimatstadt in Berlin zu erreichen, erfreut den Kroaten. „Wir wissen, wie schön es dort ist. Wir wissen auch, wie schwierig es ist, dort hinzukommen.“ Vor einem Jahr hatte die Eintracht ein Auswärtsspiel in Mönchengladbach zu bestreiten, befand sich in der Außenseiterrolle – und überraschte mit dem Endspieleinzug im Elfmeterschießen. Kovac dient die Episode aus dem Borussia-Park als Blaupause: „Wir sind wieder in der Situation, dass uns keiner was zutraut.“

Schließlich hat Frankfurt in der Liga seine letzten fünf Auswärtsspiele verloren, jüngst gleich mit 1:4 bei Bayer Leverkusen. Und alles ist gewiss nicht einfacher geworden, seitdem der 46-Jährige wegen seines im Ablauf höchst unglücklich kommunizierten Wechsels zum FC Bayern das Umfeld irritiert hat. Viele fühlen sich von der Kovac-Version dieses Wechsels sogar getäuscht. 5.900 Eintracht-Fans reisen heute mit gen Westen, und sie werden getrieben von der Sehnsucht, wieder für ein Mai-Wochenende in die Hauptstadt zu reisen. Aber sie werden auch genau hinsehen, ob das Binnenverhältnis zwischen Cheftrainer und Mannschaft noch stimmt.

Ein Vordenker, der die Gruppe seit Amtsantritt auf das gemeinsame Ziel einschwört, bedingungslosen Einsatz verlangt und alles mit Konsequenzen belegt, was den Teamerfolg gefährdet, der kann in der Akzeptanz ein Problem bekommen, wenn er plötzlich mittels einer Ausstiegsklausel so unvermutet das Weite sucht. In den sozialen Netzwerken machen Bilder und Videoclips die Runde, die Kovac’ Glaubwürdigkeit mit beißendem Spott belegen. Sich binnen 24 Stunden und einem Telefonanruf vom Kumpel Hasan Salihamidzic auf eine so weitreichende Entscheidung einzulassen, glaubt ihm niemand.

Doch Kovac hatte gestern die Maske wieder übergestülpt. Ob er denn wenigstens die Wortwahl auf der Pressekonferenz vom Freitag bedaure? „Ich denke, dass Sie mich verstehen, wenn ich sage, dass ich mich auf morgen konzentriere. Daran werde ich gemessen.“ Das teils vernichtende mediale Echo will er angeblich nicht vernommen haben. „Ich lese sehr wenig. Aber mir wird natürlich was zugetragen. Das trifft mich auch, ich bin auch nur ein Mensch, aber ich versuche es auszublenden.“ Überdies betonte er sein gutes Verhältnis zu den örtlichen Berichterstattern. Und überhaupt: „Wir haben zwei Jahre lang nicht Däumchen gedreht, sondern gute Arbeit abgeliefert.“

Tatsächlich ist das Kräftemessen mit dem Tabellenzweiten speziell für den Heynckes-Nachfolger eine Chance: Er könnte mit dem Pokalfinale abtreten. Das hätte durchaus einen gewissen Charme. Kovac verbreitete am Dienstag Optimismus, dass dies auch zu erreichen ist. Er hob die gute körperliche Verfassung seiner Spieler hervor und die Notwendigkeit, diese einzubringen. „Und wenn wir dann mit 90 Minuten Betonfußball weiterkommen“, sagte Kovac. „Scheuklappen auf und durch“ – das scheint das Motto eines um seinen Ruf bangenden Fußballlehrers zu sein.

Die Eintracht hat sich monatelang in die richtige Richtung entwickelt, und dafür hat die sportliche Leitung viel geschuftet – nun kann binnen weniger Wochen alles zerstört werden. Zum Stimmungs- und Charaktertest dürfte neben dem Pokalspiel dann drei Tage später das Heimspiel gegen Hertha BSC werden. Kovac aber hat angeblich keine Sorgen. „Die Jungs lachen viel, die Sonne scheint. Wir sind hier alle gut drauf.“

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