piwik no script img

Hüfte und Kopf

Wie sich das wohl anfühlt, mit so einem betonierten Becken die Hüfte zu schwingen? „Concrete Pelvis“ heißt das Debütalbum des Berliner Quartetts Electric Anthillman. Der Titel bedeutet so viel wie „Betonhüfte/-becken“ und die Band macht laut Eigenbeschreibung „anchor funk for concreted pelvis-dancers“. Erste Erkenntnis also: Man hat es mit Leuten mit schrägem Humor zu tun (für Studio-Braun-Fans: die Betonhüfte hat man sich von Fraktus geliehen).

Entsprechend schräg ist auch die Musik – die 14 Stücke klingen wie eine Mischung aus Funk, Beatmusik und Noise, hypernervös und mit leichtem Muppet-Show-Einschlag.

Beim Hören kamen mir so unterschiedliche Bands wie Primus, die Flying Lizards und Stereo Total in den Sinn. Etwas von all dem steckt wohl auch drin, aber Electric Anthillman haben mit ihrem Bassspiel und der spacigen Orgel noch mal ganz eigene Qualitäten. Bei manchen Tracks wie „Can’t Talk“ wird das Ganze zu freejazzigen Krachorgien ausgeweitet. Ein Stück wie „Use­less Information“ klingt eher Postpunk-geschult, und das einleitende „Boogey Man“ und „Drunkenstein“ sind gar groovy und tanzbar. Also vielleicht genau das Richtige für Betonhüftentänzer.

Kommen wir von der Hüft- zur Kopfregion, und zwar zu den Düsterrockern von Heads. Die reanimieren auf ihrem zweiten Album „Collider“ einen Sound, der in den frühen 90ern angesagt war und auf Labels wie „Amphetamine Reptile“ und „Touch And Go“ zu Hause war: Schwer verdaulichen Noise-Rock, angelehnt an großartige Bands wie The Jesus Lizard, (frühe) Helmet und die Melvins.

Epigonal klingt das bei den Heads, dem Trio um Sänger und Gitarrist Ed Fraser, aber überhaupt nicht. Im Gegenteil, man weiß halt, worauf man sich beruft, versieht diesen Sound aber mit Einflüssen aus Nachbargenres wie Shoegaze und Grunge, aber auch aus Spoken Word und Songwriter wie im Titeltrack „Collider“. Bei dem 10-Song-Album fällt die sehr gute Produktion auf, nicht unwichtig bei dieser Art von Rock: Bass, Gitarre und Drums sind auf den Punkt und knallen ordentlich, die Stimme klingt mal klar, mal brüchig, mal whiskygetränkt. Toll. Jens Uthoff

Electric Anthillman:„Con­crete Pelvis“ (Oltrarno Rec), live: Fr., 20. 4., Ziegrastr. 11

Heads: „Collider“ (This Charming Man), live: Heads + Gewalt, Sa., 14. 4., Badehaus, Revaler Str. 99

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen