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Archiv-Artikel

Pausenhöfe ohne soziale Wärme

Steglitz-Zehlendorf will 2006 seine Schulstationen schließen. Andere Bezirke könnten nachziehen, befürchtet die Senatsverwaltung. Bewährte Präventionsarbeit wird weggespart, sagen Experten

Den 14 Schulstationen in Steglitz-Zehlendorf droht zum 15. August kommenden Jahres das Aus. Die Schließung ist Bestandteil der Sparpläne des Bezirks im Jugendbereich. Sie sehen für den Doppelhaushalt 2006/2007 Einsparungen von 2,2 Millionen Euro vor. Der Haushaltsbeschluss der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) soll am 21. September fallen. Trotz zahlreicher Proteste von Eltern, Schülern, Sozialarbeitern und Lehrern scheint somit das Ende der Jugendsozialarbeit in den Zehlendorfer Schulen beschlossene Sache zu sein.

„Aufgrund der finanziellen Situation kann der Bezirk keine Mittel mehr für Prävention ausgeben“, begründet Bezirksstadträtin Anke Otto (Grüne) die geplante Schließung. Der Bezirk könne angesichts der finanziellen Situation die in den Schulen angesiedelte Sozialarbeit nicht weiter aufrecht erhalten.

Ähnlich sieht das der Vorsitzende des Jugendhilfeausschusses Michael Karnetzki (SPD): „Es gibt eventuell noch Spielräume im geplanten Haushalt, dennoch werden wir nicht alle 14 Schulstationen retten können.“ Nachdem der Jugendhilfeausschuss die Meinungen der Betroffenen gehört habe, ist nun vor der Haushaltssitzung der BVV keine weitere Sitzung in der Sache geplant.

Katrin Heybroch, Sozialarbeiterin in der Schulstation „Dschungel“ der Conrad-Grundschule, kann die Sparpolitik des Bezirks nicht verstehen. „Wir haben all die Jahre über vielfältige Beziehungen aufgebaut, die vor allem auf Vertrauen basieren“, klagt sie. Einst im Rahmen des Kinder- und Jugendhilfegesetzes eingerichtet, habe man die Schulstationen jahrelang als ein Angebot für hilfsbedürftige Kinder in Problemschulen hoch gelobt. Nun falle diese Einrichtung, die kontinuierliche Arbeit am Schulklima leiste, plötzlich dem Rotstift zum Opfer.

Die Schulstationen fußen auf der Philosophie der Sozialraumorientierung – ein in der Jugendarbeit in Mode gekommener Ansatz. Auf kleinstem Raum soll Sozialarbeit durch intensive Vernetzung unterschiedlichster Einrichtungen stattfinden. So die Idee der Schulstation, der die Schulen eigene Räume zur Verfügung stellen. SchülerInnen, LehrerInnen und Eltern können dort vorbeikommen, die Sozialarbeitenden vermitteln bei Konflikten und Problemen. Sie gehen auf den Schulhof und suchen das Gespräch mit den Kindern, um bei Spannungen helfen zu können. Darüber hinaus veranstalten die Schulstationen informelle Angebote wie Tischtennisturniere oder Bastelkurse.

In Berlin wurden die ersten Schulstationen 1995 im Rahmen eines Modellversuchs der Bund-Länder-Kommission eingerichtet. 2001 unterstützte dann die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Sport diese Form der Jugendsozialarbeit und beschloss für insgesamt 30 Berliner Schulen eine Regelfinanzierung für die Einrichtung von Schulstationen.

Die Bedingung: eine Zwischenbilanz der Einrichtungen nach einem Jahr. Die Bewertung durch die Alice-Salomon-Fachhochschule für Sozialpädagogik fiel überdurchschnittlich gut aus. Schulstationen bewirken demnach eine deutliche Öffnung der Schulen zum Sozialraum und lassen mittelfristig durch ihre präventive Wirkung Einsparpotenziale bei der Jugendhilfe erwarten.

Bezirksstadträtin Otto sieht in den geplanten Kürzungen dennoch keinen Widerspruch. „Wir müssen stärker nach Problemlagen handeln“, erklärt sie. Deshalb solle geprüft werden, ob nicht im Bezirk die Zusammenarbeit zwischen Schule und Jugendeinrichtung intensiviert werden könne. Außerdem habe die Einführung der Halbtagsgrundschule und der Horte an den Grundschulen ohnehin zur Anwesenheit von ErzieherInnen geführt. Dass diese aber genug zu tun hätten, dass will Otto nicht gelten lassen.

Damit nicht ganz Schluss ist mit den Schulstationen, schlägt sie für den Bezirk vier mobile Teams vor, die bei Bedarf an die Schulen entsandt werden.

„Kein Lehrer wird die anrufen, denn keiner wird Vertrauen zu ihnen haben“, kritisiert Sozialarbeiterin Heybrock.

Auch die Senatsverwaltung plädiert für die Schulstationen. Nicht zuletzt schreibt das neue Schulgesetz die Kooperation von Jugendhilfe und Schule zur Verbesserung des Schulalltages vor. Die Schulstation bilde ein gelungenes Modell. „Ich fürchte, dass diese Kürzungen angesichts der haushaltspolitischen Situation auch auf andere Bezirke zukommen könnten“, sagt Peter Hübner, Referatsleiter bei der Senatsverwaltung. Dennoch müsse das Angebot den Bedürfnissen der Jugendlichen angepasst werden. Die sind in Steglitz-Zehlendorf vermutlich geringer als in den Problembezirken der Stadt.

TANIA GREINER