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: Beim Banküberfall wird er in Frauenkleider gesteckt

„Die Letzten beißen die Hunde“ (USA 1974, Regie: Michael Cimino). Die Neu-Edition ist ab rund 14 Euro erhältlich Foto: United Artists

Heiß ist es im amerikanischen Süden. Heiß bleibt es, der Schweiß klebt den Männern und den (wenigen) Frauen in „Die Letzten beißen die Hunde“ penetrant im Gesicht. Auf der Kanzel in der Kirche im Nirgendwo predigt einer mit öligem Haar und öliger Stimme, das ist Clint Eastwood. Dem Gebrauchtwagenhändler klaut ein anderer, jung, blond, frech, ein rassiges Auto, das ist Jeff Bridges. Ein Killer betritt die Kirche und feuert auf den Priester, der in Wahrheit ein ziemlich legendärer Bankräuber ist, den man unter dem Namen Thunderbolt kennt.

Zum Glück kommt der junge Mann mit dem rassigen Auto vorbei, nimmt den Fliehenden mit, widerwillig zunächst. Sein Name ist Lightfoot, Schürzenjäger und Draufgänger ist er von Gemüt, weich dabei eher als hart. Es ist der Beginn einer wunderbaren Buddy-Romanze mit allerdings nur halb glücklichem Ende. Von der einsamen Kirche zur einsamen Schule führt der Weg dieses Films, aber beides steht unverbunden, als Zeichen, nicht als Teil des bindenden Bands von Gesellschaft, herum.

Erst einmal geht es dahin, wie es nur in New-Hollywood-Filmen der siebziger Jahre dahingehen kann. Die beiden sitzen und kumpeln, Frauen sind sehr direkt per male gaze ins Visier genommenes Objekt der Begierde – abgebrüht: Thunderbolt, pubertär: Lightfoot. Wie die übliche sexistische Kackscheiße nimmt sich das auf den ersten Blick aus. Eher überraschend für alle Beteiligten werden die Frauen dann gleich mehrfach vom Objekt zu Subjekten.

Eine Blondine auf dem Motorrad, die Lightfoot in fliegender Fahrt auf dem Highway anmacht, holt den Hammer raus und drischt auf das mal wieder geklaute Auto ein, in dem er sitzt, und fährt ihm davon. Später wird er über die Angelegenheit lakonisch berichten, er sei dem Fortschritt begegnet. Beim Banküberfall, auf den der Film zuläuft, wird er in Frauenkleider gesteckt, so ganz ungelegen kommt es ihm nicht.

Erst driftet das alles cool vor sich hin: die Hitze, die Männer, die grandiose amerikanische Landschaft, wenig Stadt, viel Land und See und Fluss mit ihren unübersehbaren, aber ziemlich entleert wirkenden Western-Signalen, die Pedal-Steel-Gitarre dazwischen. Dann aber führt die Vorgeschichte des Helden zu Action und Nachgeschichten, die sich mit dem Willen zum Abhängen beißen. Wie so viele amerikanische Filme der Zeit, „Easy Rider“ allen voran, träumt auch „Die Letzten beißen die Hunde“ von einem Männerleben ohne Gesellschaft, in Lightfoots Fall auch ohne jeden Anflug von vorausliegender Biografie, aber irgendwie sollen dann doch ein Heldenleben (und ein Genre-Plot) in den Mix. So ganz ernst gemeint und genommen wird beides wiederum nicht. Das führt zu ziemlich lustigen Episoden mit harten Männern in albernen Eisverkäufergefährten.

Eine Blondine auf dem Motorrad, die Lightfootauf dem Highway anmacht, holt den Hammer raus

So liegt „Die Letzten beißen die Hunde“ auf halber Strecke zwischen klassischem Western und der sehr gründlichen Dekonstruktion amerikanischer Mythologie, wie sie Monte Hellman mit „Two-Lane Blacktop“ ein paar Jahr davor geprobt hatte. Aber der Film bewegt sich auf dieser halben Strecke sehr gut. Ein bisschen ungelenk vielleicht noch in seinen Versuchen, ganz lässig zu sein. Es war ja auch ein Erstling, das Debüt von Michael Cimino, der mit seinem nächsten Film, der Vietnam-Saga „Die durch die Hölle gehen“, groß rauskam. Mit dem übernächsten Film, dem heute verehrten Über-Flop „Heaven’s Gate“, war die Karriere schon wieder so gut wie vorbei.

Der Erstling erscheint jetzt in einer aufwendigen Neu-Edition. Es lohnt, ihn zu sehen, als eigenwilliges Werk schon für sich; aber als Studienobjekt und Knotenpunkt der (New)-Hollywood-Geschichte erst recht. Ekkehard Knörer