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Impressionan Impression

Unter den Exzentrikern des britischen Kinos istTerence Davies der bei uns sicherlich unbekannteste. Das Arsenal widmet ihm eine Werkschau

Von Andreas Hartmann

Es regnet, der Blick richtet sich auf eine verschlammte, dunkle Straße, es sieht so elendig aus hier. Doch dann erklingt Nat King Cole und singt mit seiner seidenen Stimme zu einem Meer aus Streichern seine Superschnulze „Stardust“. Die Kamera fährt ganz langsam durch die Matschstraße, Nat King Cole hört nicht auf zu singen und man hat schon gleich zu Beginn von „The Long Day Closes“ einen dieser Terence-Davies-Momente, eine Szene von verwirrender, magischer, fast surrealer Schönheit, die sich ins Gedächtnis einbrennt.

Das Werk des britischen Regisseurs Terence Davies, das nun in einer Retro im Arsenal mit dem passenden Titel „Zeit und Erinnerung“ gewürdigt wird, umfasst nur acht Filme, doch in diesen bekommt man zig solcher erhabenen Szenen geliefert. Immer wieder gibt es diese fast statischen Kameraeinstellungen, zu denen wehmütige bis bittersüße Musik erklingt und wo sich doch mehr abspielt als in der wildesten Action-Sequenz.

Innerhalb der Riege von Exzentrikern des britischen Kinos wie Derek Jarman oder Peter Greenaway ist Terence Davies der bei uns sicherlich unbekannteste. Er ist ein ewiger Cineasten-Tipp, dessen letzte Werke, die er teilweise mit hochkarätigen Schauspielern drehte, bei uns gar nicht mehr den Weg ins Kino fanden. Zu sperrig, zu ungewöhnlich, zu langsam, das werden sich die Verleihe gesagt haben.

Und man braucht ja auch wirklich Geduld für die Filme von Terence Davies, muss bereit sein, sich auf sie und ihre ungewöhnliche Formsprache einzulassen. Herkömmlichen Erzählweisen verweigert sich der inzwischen 72-jährige Meister meist ganz. Am liebsten reiht er Impression an Impression, lässt jedes Bild für sich sprechen und am Ende weiß man vielleicht nicht, was jetzt genau die Story des Films war, ist sich aber sicher, ein cinematografisches Meisterwerk gesehen zu haben.

Terence Davies wurde 1945 als zehntes Kind einer Arbeiterfamilie in Liverpool geboren. Er wuchs, zumindest solange sein Vater lebte, der ihn schrecklich verprügelte, unter elenden Umständen auf. Liverpool war damals eine verarmte Arbeiterstadt, an die Beatles war noch gar nicht zu denken, die katholische Kirche und ihre Ver- und Gebote prägten das Leben der Leute und der kleine Terence musste auch noch feststellen, dass er schwul war. Es muss eine traumatische, albtraumhafte Zeit für Davies gewesen sein, und zwar so sehr, dass er in den ersten 20 Jahren seiner Profession als Filmemacher nichts anderes machte, als sich in seinen Filmen mit seiner Stream-of-consciousness-Erzähltechnik und seinen Erinnerungsstrudeln aus Bildern und Musik zurück in diese Zeit und in dieses Leben zu versetzen. Erst Mitte der Neunziger begann er damit, nicht nur autobiografische Filme zu drehen, sondern auch andere Stoffe zu verarbeiten.

Bis heute, so sagt der extrem medienscheue Filmemacher, der gleich an zwei Tagen im Arsenal zu Gast sein wird, was als kleine Sensation gewertet werden darf, misstraut er seinem Erfolg als Filmemacher. So, als könne er es einfach immer noch nicht glauben, dass er, der endlos gedemütigte Junge aus Liverpool, der viel zu sensibel für sein Milieu war, tatsächlich Mitte der Siebziger die Chance bekam, einen eigenen Film zu drehen: „Children“. Das Budget für den 43-minütigen Film betrug nicht mehr als ein paar tausend Pfund, die Crew, mit der er zusammenarbeitete, dufte er sich nicht selber aussuchen, und doch schuf er gleich einen Film, der alles hatte, was auch zukünftige Davies-Filme ausmachen sollten. Inklusive dieses phänomenalen, einzigartigen Einsatzes von Musik, in die er seine Bilder tauchte. „Children“ wurde Teil der sogenannten Terence-Davies-Trilogie, die 1983 fertiggestellt wurde und die mit dem imaginierten Tod von Terence Davies selbst endet. Auch diese Szene, in der ein Filmemacher sein eigenes Ende poetisiert und doch in aller Drastik zeigt, ist schier unglaublich.

Terence Davies macht englisches Kitchen-sink-Kino mit den Mitteln des magischen Realismus. Seine Bilder wirken oft ziemlich camp und die Liebe zum amerikanischen Musical und zum „Great American Songbook“ ist dauernd spürbar. Aber bei all den Referenzen, auch zum klassischen Hollywood-Kino und zu Ingmar Bergman, schält sich am Ende immer eine ganz eigene, unvergleichliche, schwer zu fassende Terence-Davies-Filmsprache heraus. Diese Filme für sich zu entdecken, ist wirklich eine Erfahrung.

Zeit und Erinnerung: Das Kino von Terence Davies: 29. 3. bis 9. 4. im Kino Arsenal, am 5. und 6. 4. mit Terence Davies als Gast, www.arsenal-berlin.de

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