Das Gefühl völliger Anwesenheit

Die Gefangenen sind die Seele dieses Films: Die Shakespeare-Adaption „Cäsar muss sterben“ von Paolo und Vittorio Taviani, läuft am Samstag im Arsenal

Von Peter Nau

Shakespeares Drama „Julius Cäsar“ ist wie eine abgeschlossene Welt, die sich in ihrer eigenen Sphäre bewegt. Nachdem der Applaus eines zahlreichen, tief bewegten Publikums nach der Aufführung verstummt ist, gehen die Darsteller scheinbar ziellos durch Gänge und kahle Räume, bis sie vor ihrer Zellentür landen, durch die sie, als gehörte das noch zu ihrer Rolle, den auf- und zuschließenden Wächter ignorierend, gemessenen Schrittes eintreten.

Sie sind in Sicherheit, Hochsicherheit, womöglich sind sie Mafiosi. In einem römischen Gefängnis sitzen die Männer ein, verurteilt zu langen Haftstrafen, bis zu „lebenslänglich“. Wir lernen diese Gefangenen kaum kennen, die hier als altrömische Notabeln innerhalb einer vom Volk abgehobenen Machtsphäre mit Zunge und Schwert ihre Interessen verfolgen. Für die Verlierer gibt es am Ende keinen Ausweg und kein Entrinnen.

Ein zur Welt geöffnetes Fenster

Dabei haben wir, während das Drama läuft, das Gefühl völliger Anwesenheit bei dem Geschehen; etwas von der Gewalt wird spürbar, mit der sich dieser ästhetische Mikrokosmos in das vom Gefängnis gebildete Universum eingeschoben hat, von dem er so grundsätzlich verschieden ist. Wie von dem Filmtheoretiker André Bazin herbeigesehnt, ist aus dem Theaterraum ein zur Welt geöffnetes Fenster geworden. Aber diese Welt, zu der hin der Raum sich öffnet, ist ihrerseits eine geschlossene, wie das große Kunstwerk, in dem „die wahre Einsamkeit liegt“ (Nietzsche). An beiden Welten haben die Gefangenen teil, sie sind die Seele dieses Films. Ihr stiller, ertragender Mut bleibt ein Teil des Geheimnisses, das sie umgibt.

Um ihre Rollen im Stück und im Film zu spielen, tauchen sie auf aus ihren Zellen, und sie verschwinden wieder, nach vollbrachtem Tun, in ihnen. Inmitten ihrer Zwangswelt schlägt dieser aufwühlende Film eine offene Seite auf, in deren Offenheit alles anders ist als sonst.

Paolo und Vittorio Taviani: „Cesare deve morire“ (2012); 31. März, 19.30 Uhr, Arsenal