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Frei von Hemdsärmeln

Christian Holtmann und Piotr Rambowski sind beste Freunde und stellen nun gemeinsam aus. Bei allem leisen Spott schaffen die Bremer Künstler menschenfreundliche Bilderwelten

Haben sich bei aller Unterschiedlichkeit beeinflusst: Christian Holtmann ohne und Piotr Rambowski mit Mütze Foto: Frank Keil

Von Frank Keil

Im ersten großen Raum gleich links hängen die Bilder von Christian Holtmann; in dem danach die von Piotr Rambowski, den sie hier Peter nennen, weil Piotr hierzulande ein Name sei, den man sich schlecht merken könne, wie Christian Holtmann, den Peter wiederum manchmal Holti nennt, erzählt. Es folgen zwei Räume in der Hamburger Galerie Evelyn Drewes, die sie gemeinsam bespielen.

Der Titel ihrer Ausstellung ist „Bromance“ – zusammengesetzt aus Brother und Romance, immer mal auf den Lifestyle-Seiten von Magazinen zu finden, wenn es um die Skizzierung von nicht sexuellen Freundschaften zwischen Männern geht. Die sei manchmal intensiver als die zwischen Mann und Frau, ist dann zu lesen. Versprochen ist laut Ankündigungstext eine Ausstellung „mit viel Gefühl“. „Wir hatten schon die Bilder und haben nach einem Titel gesucht“, sagt Rambowski. „Nicht, dass die Leute denken, wir beide haben jetzt so volkshochschulmäßig was zu dem Thema Bromance gemalt.“ – „Und wenn schon“, sagt Holtmann.

Drei Kirschen im Zweig

Ein Bild von Rambowski trägt den Namen „Bromance“: Ein halbes Dutzend Bäume steht am Strand, die Bäume sehen stachelig und karg aus, das Meer scheint weit weg, in einem Zweig hängen drei Kirschen. Rambowski hat außerdem einen Rettungsring auf flirrender Wasseroberfläche gemalt, Holti steht auf dem Ring, wie der Name eines Schiffes. „Den hat Peter mir mal buchstäblich zugeworfen, in einer echten Krise“, sagt Holtmann. Und setzt hinzu: „Man muss jetzt nicht alles erzählen“, und Rambowski nickt: Nein, muss man nicht. Und sie setzen eine kleine Pause. Vielleicht ist es das, was die beiden verbindet: Sie machen nicht allzu viele Worte um ihre Freundschaft, die eben eine Künstlerfreundschaft ist und eine Männerfreundschaft.

Nur so viel: „Ich hab mich auch schon mal über Peter geärgert“, sagt Christian Holtmann. „Vielleicht ein-, zweimal.“ Aber er konnte jedes Mal ansprechen, was ihn störte, und damit war die Sache ebenso jeweils aus der Welt. Oder so viel: „Ich weiß, dass Christian es etwas im Rücken hat, also hab ich die schweren Sachen hier in die Ausstellung geschleppt und er die leichten, und ich würde nie sagen ‚Hey, pack mal mit an und steh nicht so herum“, sagt Piotr Rambowski, dreht sich eine Zigarette und hält die unangezündet in der Hand.

Kennengelernt haben sich beide an der Bremer Kunsthochschule, wo Holtmann im Jahr 2000 nach einem Jurastudium landet. Er ist zunächst in der Klasse von David Bade, bis 2003 Gastprofessor, Künstler aus den Niederlanden, Bildhauer, Maler, Zeichner, bekannt auch für wuchtige, raumgreifende Installationen.

„Bade kam an die vermuffte Bremer Hochschule, hatte was sehr frisches, hat mit Bauschaum gearbeitet und das zu den Themen Fußball und Sex und dem ganzen Zeugs“, sagt Holtmann, und die Begeisterung über jene Tage ist ihm immer noch anzumerken.

Bald hört er das erste Mal von Piotr Rambowski: „Es hieß, da ist so ein Typ, der will eigentlich Design studieren, aber der ist was für die Kunst, der muss Kunst machen.“Und Rambowski macht Kunst und lässt das mit dem Design-Studium, und die beiden werden Assistenten bei Bade, es geht für Ausstellungsprojekte nach Amsterdam, es geht nach Nizza. Große Räume sind zu füllen, weite Fläche zu bespielen, viel an Material ist hin und her zu bewegen. „Und da haben wir uns langsam kennengelernt“, sagt Holtmann.

„Ich fand den Peter gleich einen starken Typ, der hat einfach – Bäng! – eine Spanplatte mitten durchgebrochen und da was drauf gepappt, totale Energie, er kam damals von der Streetart, er hatte so was Naives, wobei – oh! – naiv jetzt völlig falsch ist“, sagt Holtmann. „Ich wusste anfangs nicht, wer Gerhard Richter ist, und ich wusste nicht, wer Karin Kneffel ist“, sagt Rambowksi in aller Ruhe und lässt dazu seine bedächtige, sonore Stimme klingen. Aber in Kneffels Klasse gefallen ihm die Bilder am besten, die zu sehen sind, als Bades Gastprofessur endet und Rambowksi einmal durch alle Klassenräume streift, um für sich einen neuen Platz zu finden. „Die Klasse von Kneffel bestand sonst nur aus Frauen, bis auf einen Koreaner, aber der war eher ein Neutrum, der saß still in einer Ecke und hat wortlos seine Bilder gemalt“, erinnert sich Holtmann. Am Ende werden sie beide Meisterschüler bei Karin Kneffel.

Jede Menge Gleisanlagen

Danach teilen sie sich ein Atelier im Bremer Künstlerhaus am Deich, beziehen dann dort jeweils ein eigenes Atelier. Um vor zwei Jahren weiterzuziehen ins Künstlerhaus am Güterbahnhof, wo Bremen vergleichsweise urban ist, mit jeder Menge Gleisanlagen und Hochspannungsleitungen und eben einigermaßen bezahlbaren Flächen. Dort teilen die beiden Künstler sich wieder einen Atelierraum.

„Peter ist bei mir erste Adresse, ich kann ihm so gut wie alles erzählen und das geht schon ziemlich lange“, sagt Holtmann. Aber es habe auch Zeiten gegeben, in denen es ein wenig auseinander gelaufen sei: „Peters Kind ist noch klein, meine Kinder sind größer; man muss zeitweise anderes arbeiten, um Geld zu verdienen, dann sieht man sich seltener“, sagt er. „Aber um eine gewisse Tiefe zu kriegen, muss man auch Zeit miteinander verbringen, muss miteinander reden, muss was organisieren, wie diese Ausstellung jetzt. Wenn das passiert, wächst man wieder zusammen.“ Rambowski hat eine etwas andere Erklärung, warum es mit den beiden so gut klappt: „Es ist das Sternzeichen“, sagt er. Aber das muss man jetzt nicht vertiefen und nicht diskutieren.

Und die Kunst? Findet sich all das nun in ihren Bildern wieder und profitieren sie voneinander? „Es kann ja sein, dass sich zwei Künstler gar nicht wie beabsichtigt gegenseitig verstärken, sondern sich vielleicht sogar schwächen“, sagt Holtmann und rückt seine Mütze gerade. Es sieht nicht danach aus. Im Gegenteil.

Geht man durch die Galerieräume, wird schnell spürbar und vor allem sichtbar, wie die beiden sich bei aller Unterschiedlichkeit beeinflusst haben. Sie sind frei von hemdsärmeliger und demonstrativer Gestik, sondern schaffen bei allem leisen Spott grundsätzlich menschenfreundliche Bildwelten: Rambowski mit seinen Inseln, Häusern, Sonnenschirmen, unter denen niemand sitzt, die nah und fern zugleich sind; Holtmann mit seinen listigen und im besten Sinne einfachen Wortbildern, vordergründig inszeniert als Collagen, tatsächlich gemalt mit Öl auf Papier. „Easygoing“ prangt in neun Buchstabenbildern gerahmt an der Wand – wäre es nicht cool, man könnte das Leben noch mal so leicht nehmen? Aber das ist nun mal vorbei. „Komm mit. mir“ fordert ein anders Bild, jeder Buchstabe eine Werbewelt, aber soll man da wirklich folgen?

„Peter malt Sehnsuchtsorte und Strände und Palmen, das tue ich auch, nur male ich nicht Strände und Palmen, sondern ich führe Auseinandersetzungen mit den Verlockungen unserer Gesellschaft, also: Gebe ich denen nach oder gebe ich ihnen nicht nach“, fasst Holtmann zusammen. Und so präsentieren sie sich also sowohl einzeln als auch zusammen.

Ein gesunder Neid

Natürlich bleibt da am Ende die Frage: Was ist, wenn der eine besser ankommt und der andere weniger? Aber das ist nichts, was sie wirklich kümmert: „Wir haben einen gesunden Neid“, sagt Holtmann, und Piotr Rambowski springt ihm bei: „Wenn Christian jetzt total abgehen würde, also wenn er hier ohne Ende verkauft, dann würde ich natürlich sagen ‚Wie hast du das denn hingekriegt, du Arsch!?, aber ich würde mich zuallererst für ihn freuen.“ Umgekehrt wäre es gewiss genauso.

Ausstellung „Bromance“ von Christian Holtmann und Piotr Rambowski: bis 17.4., Galerie Evelyn Drewes, Hamburg

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