Kurzkritik: Jan-Paul Koopmann über „Beyond Thrill“ im Künstlerhaus: Selbstzerstörung nach Plan
Wenn in einer Kunstausstellung scheppernd was zu Boden fällt, ist das selten Grund zur Freude. Tim Reinecke strahlt trotzdem, als sich seine Skulptur zerlegt. Er lässt den Blick kurz durch die Galerie des Künstlerhauses wandern, auf der Suche nach der Stelle, wo jetzt wieder was abgebrochen ist. Das Poltern gehört dazu: Reineckes Arbeiten in der Schau „Beyond Thrill“ sollen und werden sich in den nächsten Wochen auflösen.
Dabei wirkt gerade das raumgreifende Herzstück der Ausstellung auf den ersten Blick eher massiv: rostige Metallkonstruktionen, die in ihrer Anordnung an niedergestürzte Stahlträger erinnern – ummantelt von einem milchig-weißen Material, das wie ein sonderbarer Putz an dem Gerüst klebt. Tatsächlich ist es Agar-Agar, diese Vegetariergelatine aus Algen, die gerade vor sich hintrocknet, brüchig wird und sich dann Stück für Stück zu den Brocken gesellt, die bereits auf dem Boden liegen.
Mit der Ausstellung schließt Tim Reinecke sein einjähriges Atelierstipendium ab, dem er einen mietfreien Arbeitsraum im Künstlerhaus und 600 Euro monatlich verdankt. Dieses neue Stipendium ist übrigens nicht nur für ihn, sondern auch für Bremen eine Wohltat. Es löst nämlich endlich das Berlin-Stipendium ab, über welches man die interessantesten Jungkünstler der Stadt für ein paar Monate in die Hauptstadt schickte – als kämen nicht längst viel zu viele auf die Idee, da auf Nimmerwiedersehen abzutauchen.
Für Tim Reinecke sind diese Arbeiten dann auch formal etwas Neues. Zwar denken sie auch seine in Bremen mehrfach dokumentierte Beschäftigung mit Architektur und Kunst im öffentlichen Raum weiter, doch ist „Beyond Thrill“ deutlich abstrakter, fokussiert viel stärker auf das Material. Den Zusammenbruch als Prozess ausgerechnet in einer plastischen Arbeit umzusetzen, wie Kuratorin Akiko Bernhöft treffend betont, ist tatsächlich beeindruckend. Man mag sich an Ruinen erinnert fühlen, die auf subtile Weise ja immer weit monumentaler sind als die Gebäude, die sie mal waren, doch eine eindeutige Botschaft versteckt sich darin nicht. Dafür aber die dringende Erinnerung an das Wesentliche, was Kunst, Stadtplanung und Gesellschaftskritik teilen: dass alles, was ist, auch anders sein könnte, mal anders war und auch wieder ganz anders werden wird.
Ausstellung bis 15. April, Künstlerhaus Bremen
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