Berliner Initiative für Videoüberwachung: Horch und Guck bessert nach

Die Initiative für mehr Videoüberwachung überarbeitet ihren Gesetzentwurf. Kritik, das Volksbegehren sei verfassungswidrig, weist sie zurück.

Sehen sie alles? Und was vielleicht noch wichtiger ist: Hören sie auch was? Videokamera in Berlin Foto: dpa

Der Streit über die Zulässigkeit des Volksbegehrens für mehr Videoüberwachung läuft auf eine juristische Auseinandersetzung hinaus. Die Initiatoren des Bündnisses, Exjustizsenator Thomas Heilmann (CDU) und Exbezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky (SPD), stellten am Freitag zwar eine überarbeitete Version ihres Gesetzentwurfs vor. Sie betonten aber zugleich, sie hätten nichts an den Zielen und kaum etwas am Inhalt des Entwurfs geändert. Unter anderem Berlins Datenschutzbeauftragte Maja Smoltczyk hält den bisherigen Entwurf für „verfassungsrechtlich höchst bedenklich“.

Heilmann und Buschkowsky wiesen das am Freitag zurück. „Wenn dieses Gesetz verfassungswidrig ist, ist das ganze deutsche System verfassungswidrig“, so Buschkowsky. „Wir haben an einigen Stellen klarer und präziser formuliert“, sagte der heutige Bundestagsabgeordnete Heilmann.

Die Initiative will 50 Orte in Berlin rund um die Uhr mit Kameras überwachen lassen, um Kriminalität einzudämmen und das Sicherheitsgefühl der Bürger zu verbessern. Neben Video- sind auch Tonaufnahmen vorgesehen. Dafür hat die Initiative in einer ersten Stufe rund 25.000 Unterschriften gesammelt. Sie werden bis spätestens Mitte März in der Innenverwaltung auf ihre Gültigkeit geprüft. 20.000 sind nötig, damit ein Volksbegehren überhaupt möglich wird. Die rot-rot-grüne Koalition hat sich sowohl gegen eine permanente wie auch flächendeckende Videoüberwachung ausgesprochen.

In einem Gutachten im Auftrag der Linksfraktion kommt Frederik Roggan, Professor an der Brandenburger Fachhochschule für Polizei, zum Schluss, dass das Volksbegehren „insgesamt unzulässig“ sei. Er kritisiert die „mangelnde Sorgfalt bei der Erstellung des Gesetzentwurfs“. Laut Smoltczyk lasse die Festlegung auf 50 Orte „jegliche Verhältnismäßigkeit vermissen“. Das Land Berlin verfüge zudem nicht über die notwendige Gesetzgebungskompetenz.

Heilmann wies das zurück und bezog sich dabei auf Hamburg. Dort sei die umfassende Videoüberwachung der Reeperbahn von Gerichten für zulässig befunden worden. „Verhältnismäßigkeit lässt sich nur im Einzelfall feststellen“, so Heilmann. Er fügte hinzu: „Dieses Volksbegehren ist juristisch komplexer als frühere.“

Im überarbeiteten Gesetzentwurf sei klargestellt worden, dass versteckte Kameras nicht zulässig seien. Der Exsenator betonte zudem, dass ein automatischer Notruf vorgesehen sei. Dabei erkenne die Kamera selbst, ob eine Notlage vorliege, und melde dies dann der Polizei. Andere Aufnahmen würden nicht gespeichert.

Unklar bleibt indes, ob die Unterschriftensammlung der Initiative überhaupt gültig ist. Denn dabei sei nicht darüber informiert worden, dass neben den Video- auch Tonaufnahmen erfolgen sollen, hatte Smoltczyk bemängelt. Eine Unterschrift unter dem bisherigen Vordruck könne deswegen nicht als Zustimmung dazu gewertet werden, so die Datenschutzbeauftragte. Heilmann erklärte dazu, dass seiner Einschätzung nach ja auch Videoaufnahmen Ton enthalten würden; eine besondere Betonung sei deswegen nicht nötig gewesen.

Gut 25.000 Unterschriften hat die Initiative eingereicht, sie werden jetzt geprüft

Die Innenverwaltung wird nun den Gesetzentwurf rechtlich prüfen, sagte deren Sprecher Martin Pallgen am Freitag der taz – allerdings den ersten Entwurf, für den die Initiative ihre Unterschriften ursprünglich gesammelt hat. Erst danach werde kontrolliert, wie der erste und der neue Gesetzestext variieren. Grundsätzlich sind Veränderungen an Gesetzentwürfen in diesem Stadium noch möglich. Sie dürfen sich aber laut Gesetz nicht im Wesensgehalt unterscheiden.

Bisher ist es allerdings noch nie vorgekommen, dass eine Initiative ihren Entwurf schon vor der rechtlichen Prüfung der Innenverwaltung überarbeitet. „Das Bündnis für mehr Videoüberwachung hat anscheinend erkannt, dass der Gesetzentwurf an vielen Stellen große Schwächen aufweist“, spottete die grüne Parteichefin Nina Stahr. „Die Anpassungen ändern aber nichts daran, dass die Forderungen der Initiative hochproblematisch sind.“

Immer der aktuellste Stand

Heilmann (l.) und Buschkowsky bei der Vorstellung des Gesetzentwurfs im vergangenen Sommer Foto: dpa

Heilmann begründete den Zeitpunkt der Veränderung des Gesetzentwurfs damit, dass sich die Juristen der Innenverwaltung mit dem aktuellsten Stand auseinander setzen sollten und nun auch könnten.

Auch wenn Rot-Rot-Grün das Volksbegehren insgesamt ablehnt, gibt es bisher keine einheitliche Linie, wie mit ihm umgegangen werden soll. Die Linksfraktion plädierte auf ihrer Klausur am vergangenen Wochenende dafür, den Entwurf nach Prüfung durch die Innenverwaltung aufgrund der grundsätzlichen rechtlichen Mängel dem Berliner Verfassungsgericht vorzulegen und sich nicht weiter inhaltlich damit auseinanderzusetzen.

Innensenator Andreas Geisel (SPD) teilt zwar „weite Teile der Kritik an dem Entwurf“, wie er auf der Linken-Klausur sagte. Er setzt sich allerdings auch für eine Verschärfung des Sicherheitsgesetzes ein. Und Regierungschef Michael Müller (SPD) hatte zuletzt durchblicken lassen, dass er Chancen für einen Kompromiss mit der Initiative sieht.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.