die woche in berlin
: die woche in berlin

Das Mobilitätsgesetz ist im Abgeordnetenhaus angekommen, CDU und FDP fordern einen weiteren Untersuchungsausschuss zum BER, über die Baupläne im Blankenburger Süden gibt es Streit und damit auch über die Bausenatorin Katrin Lompscher, und in Wedding will man an die Sanierungsoffensive bei den Schulen nicht so recht glauben

Ein Pedaltritt mehr für den Fortschritt

Mobilitätsgesetz im Abgeordnetenhaus

Auf der Website der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz informiert unter dem Punkt „Mobilitätsgesetz“ ein dicker vertikaler Zeitstrahl über den Fortschritt dieses Kernvorhabens von Rot-Rot-Grün. Mit für viele Beobachtende quälender Langsamkeit hat sich das blaue Segment, das den jeweils aktuellen Status markiert, in den vergangenen Monaten nach unten bewegt, aber jetzt ist es dort angekommen: Der Entwurf hat am Donnerstag seine erste Lesung im Abgeordnetenhaus hinter sich gebracht. Bis er von den fünf zuständigen Ausschüssen und am Ende vom Plenum beschlossen wird, schreiben wir vielleicht noch den Fahrradmonat Mai.

Vielleicht schafft es die Opposition aber auch, das ihr verhasste Projekt noch etwas zu verzögern. Die Autofans der CDU und FDP sind maximal erbost über den Erfolg der rührigen Fahrradlobby, die ihnen nun den Raum auf der Straße streitig macht. Grund zur Sorge haben sie definitiv: Schon jetzt ist der Platz knapp für das viele Blech, und selbst wenn der Radverkehrsplan, der die konkrete Ausgestaltung der künftigen Radinfrastruktur festlegen wird, zahnloser als erwartet ausfallen sollte, geht für private Pkws viel Asphalt verloren – zum Fahren und zum Abstellen. Aber davon profitieren am Ende eben doch wieder alle, in Form von besserer Luft, weniger Lärm und weniger Unfällen.

Allerdings wird viel davon abhängen, dass Senat und Bezirke die künftige gesetzliche – und finanzielle – Grundlage konsequent nutzen. Das Radgesetz muss eine echte Zäsur in der Straßennutzung werden. Wenn auch die neuen Radstreifen von renitenten Autofahrern zugeparkt werden, bringt die ganze Übung nur Frust und Konflikte.

Ganz wichtig auch: Das Thema Wirtschaftsverkehr, das sich der Senat als Nächstes auf die Agenda gesetzt hat, muss absolut ernst genommen werden. Die neuen Konsumgewohnheiten haben neue Nutzungskonflikte geschaffen – von Transportern verstellte Radstreifen allüberall. Wenn man dieses Problem sich selbst überlässt, wird es sich nicht von alleine zurechtruckeln, sondern eskalieren. Claudius Prößer

Am Ende profitieren eben doch alle, in Form von besserer Luft, weniger Lärm und weniger Unfällen

Claudius Prößer über das mählich fortschreitende Mobilitätsgesetz

Tegel-Retter basteln sich ein Podium

CDU und FDP wollen neuen BER-U-Ausschuss

Warum jetzt? Warum in dieser Form? Was soll das noch bringen? Der erneute Untersuchungsausschuss zum BER, den die Fraktionen von CDU und FDP am Dienstag angekündigt haben, hat ein echtes Problem. Denn er ist das falsche Instrument zur falschen Zeit, um das zu leisten, was Christdemokraten und Liberale angeblich erreichen wollen, Aufklärung und kritische Begleitung.

Aufgeklärt hat nämlich, soweit es die SPD und ihr damaliger Koalitionspartner CDU zugelassen haben, schon der von 2012 bis kurz vor der Abgeordnetenhauswahl 2016 tätige erste BER-Untersuchungsausschuss. Und fürs aktuelle politische Geschehen ist ein solcher Ausschuss nicht vorgesehen – dafür kann ein Parlament Sonderausschüsse beschließen. Brandenburg hat ein solches Gremium schon Ende 2014 eingesetzt. Aufgabenstellung: alle Themen und Fachfragen zum Flughafen BER, die im Landtag behandelt werden sollen, zusammenzuführen und konzentriert zu bearbeiten.

Das ist sinnig. Und noch sinniger wäre, was die Grünen-Fraktion am Dienstag als Alternative zum erneuten Untersuchungsausschuss vorgeschlagen hat: ein gemeinsamer Sonderausschuss mit dem Brandenburger Landtag und dem Bundestag, also den Parlamenten der Eigentümer der Flughafengesellschaft.

Ein solcher Ausschuss hat bloß weniger Macht als ein Untersuchungsausschuss, der quasi staatsanwaltschaftliche Befugnisse hat. Und Macht ist ein zentraler Punkt für Oppositionsfraktionen, die nebenher noch ein ganz anderes Thema auf der Tagesordnung halten wollen: den Weiterbetrieb des Flughafens Tegel, für den im September beim Volksentscheid in Berlin eine Mehrheit stimmte. Absehbare Taktik wird sein, so viele Schwächen wie möglich beim BER aufzuzeigen, um Tegel als ergänzenden zweiten Flughafen der Hauptstadtregion schier unersetzbar zu machen.

Dumm bloß, dass sich CDU und FDP in einem Punkt verkalkuliert haben: Nach ihrer Zählung sollte der mit viel Öffentlichkeit verbundene Posten des Ausschussvorsitzenden an die FDP gehen. Irrtum, korrigierte die Verwaltung des Abgeordnetenhauses. Die SPD ist dran – die einzige der Parlamentsparteien, die schon beim ersten Untersuchungsausschuss in der Regierung war und, noch wichtiger, im Flughafen-Aufsichtsrat.

­Stefan Alberti

Viel mehr Wohnungen in Sekunden

Eklat bei Bürgerdebatte zu Riesenneubaugebiet

Es kommt nicht oft vor, dass man eine Senatorin oder einen Senator guten Gewissens fragen darf, ob sie oder er wahnsinnig sei. Aber die Frage drängte sich auf, nachdem am vergangenen Samstag eine Bürgerdebatte zum geplanten Pankower Neubaugebiet Blankenburger Süden in einem Eklat geendet war. Der Grund: Ohne es vorher zu kommunizieren, hatte die zuständige Bausenatorin Katrin Lompscher (Linke) mal schnell die Zahl der dort möglichen Wohnungen fast verdoppelt: von rund 5.500 auf bis zu 10.600 – wenn auch auf einer deutlich erweiterten Fläche.

Die meisten der rund 700 Besucher erfuhren davon erst zu Beginn der Diskussion am Samstag. Selbst Pankows Bürgermeister Sören Benn, ebenfalls Linkspartei, war lediglich zwei Tage zuvor informiert worden. Der Aufschrei jedenfalls war laut, viele Teilnehmer fühlten sich überfahren; auch in den Tagen danach gab es im Onlineforum des Landes massive Kritik am überfallartigen Vorgehen der Senatorin.

Fast eine Woche später bleibt rätselhaft, was Lompscher zu dieser Rustikalkommunikation getrieben hat. Erste Spekulationen, die Senatorin habe schlicht spontan auf die seit Monaten stärker werdende Kritik aus der SPD reagiert, dass sie zu wenig auf Wohnungsneubau setze, stimmen offenbar nicht. Im taz-Interview am Dienstag erklärte Lompscher, dass bereits bei der Untersuchung, wie das Wohngebiet verkehrstechnisch erschlossen werden kann, „weitere Wohnungsbaupotenziale in den Blick geraten“ seien. Und ihre SPD-Kritiker waren – was durchaus absurde Züge hat – auch nicht einverstanden mit der flotten Vergrößerung. Ein Abgeordneter sprach von einem „völlig überdimensionierten Projekt“. Lompscher kann es offenbar keinem recht machen.

Oder hat Lompschers Verwaltung ihr einen bösen Streich gespielt? Immerhin war Stadtentwicklung mehr als zwei Jahrzehnte eine Bastion der Sozialdemokraten. Die Senatorin dazu: „Klar ist: Der Fehler ist auf unserer Seite passiert.“

Vielleicht hofft sie mit der neu ausgegebenen Zielmarke von 10.600 auch einfach darauf, dass am Ende zumindest jene zuvor vorgesehenen 5.000 bis 6.000 Wohnungen im Blankenburger Süden entstehen. Denn die Vergangenheit zeigt, dass es gegen jedes Neubauprojekt, egal wie groß, Proteste der Anwohner gibt. Lompscher würde sich mit dieser Taktik ein Polster schaffen, über das sich verhandeln ließe – und auf das sie ohne großen Gesichtsverlust notfalls verzichten könnte.

Auf die Frage des Wahnsinns ging Lompscher in dem taz-Interview nicht ein. Tatsächlich wäre es durchaus verständlich gewesen, wenn sie gesagt hätte, dass man angesichts ihrer Aufgabe schon von Wahnsinn sprechen könnte. Bert Schulz

Sanierung und die Solidarität

Marode Schule sorgt für Protest in Wedding

Da muss eine Grundschule in Wedding zwangsweise evakuiert werden, weil sich in den Klassenräumen die Deckenverkleidung löst und außerdem ein bedrohlicher Riss im Mauerwerk festgestellt wurde. Sanierung bei laufendem Betrieb nicht möglich, heißt es aus dem bezirklichen Schulamt. Natürlich müssen die umliegenden Schulen die Kinder der Carl-Krämer-Grundschule aufnehmen. Natürlich ist das nicht optimal, weil alle dann noch enger zusammenrücken müssen in den ohnehin schon vollen Schulen. Blöd für die LehrerInnen, blöd für die Kinder, dem Lernerfolg sicher nicht zuträglich – aber, ganz klar, eine Notlage eben, und man kann die Krämer-SchülerInnen ja schlecht wortwörtlich im Regen stehen lassen.

Das schrieben auch die Elternvertreterinnen der Brüder-Grimm-Grundschule so ähnlich am Dienstag in einem offenen Brief, den sie an die Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) adressierten und der einen am Ende mit einem unguten Beigeschmack zurückließ. Denn die Eltern der Grimm-Grundschule, die seit Mitte Februar sieben Klassen der havarierten Krämer-Schule aufgenommen hat, wollen sich doch nur bedingt solidarisch zeigen.

Auch wenn die Sanierungsarbeiten an der Nachbarschule in den Osterferien Anfang April beendet werden sollen, wie Mittes Schulstadtrat beteuert – die Krämer-Kinder, schlagen die Grimm-Eltern vor, sollen doch bitte noch einmal umziehen: Nebenan gebe es noch ein Gebäude, wo angehende LehrerInnen ausgebildet werden. Das könne man doch nutzen. Geht nicht, heißt es aus der Bildungsverwaltung, da ist auch alles voll – und mahnt „Solidarität“ an.

Da fordert also eine Gruppe von der anderen Solidarität ein, dass man sich bitte der heimatlos gewordenen Krämer-SchülerInnen annehme. Frei nach dem Motto: Jemand muss sich kümmern, wir sind’s nicht.

Das ist nicht unbedingt die feine Art, auch wenn die Eltern schon recht haben: Man kann durchaus die Nase voll davon haben, dass die große Sanierungs­offensive an den Schulen, von der Rot-Rot-Grün seit Ende 2016 redet, nicht so recht in Gang zu kommen scheint. Für die Krämer-Grundschule waren im Bezirkshaushalt für dieses Jahr nicht mal Sanierungsmittel, die es inzwischen reichlich gibt, eingestellt. Dass die maroden Deckenplatten entdeckt wurden, war Zufall – obwohl die Bezirke vor einiger Zeit systematisch den Sanierungsbedarf ihrer Schulen ermitteln sollten.

Da kann man als Eltern doch mal das Gefühl haben, dass einem gleich die Decke auf den Kopf fällt. Anna Klöpper