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Rendezvous im All

Konkreter Aktivismus: Die Musikerin Jamila Woods definierte in Berlin ihr feministisches Weltbild und gab ein tolles Konzert

Arbeitet an der Umdeutung der Geschichte: Jamila Woods mit Braids (speziell geflochtenen Zöpfen) Foto: Zoe Rain

Von Diviam Hoffmann

Wenn die Chicagoer Künstlerin Jamila Woods eine Bühne betritt, tut sie dies nie allein. Mit ihr auf den Brettern stehen im Geiste immer prominente Frauen wie etwa Audre Lorde, Rosa Parks und Angela Davis. „Look at what they did to my sisters /Last century, last week“, singt sie und erinnert nicht nur an die Vorkämpferinnen Schwarzer Bürgerrechte, sondern auch an ihre Vorfahren, die als SklavInnen nach Nordamerika verschleppt wurden.

Schon die junge Londonerin Poppy Ajudha, die am Samstagabend auf dem Konzert in Berlin für die US-R&B-Künstlerin den Anfang macht, gibt die Richtung des Abends vor, wenn sie ihr feministisches Weltbild definiert, ihre Kämpfe als „mixed race person“ erklärt und ihre Kollegin Solange Knowles covert, die 2016 mit „Don’t Touch My Hair“ eine Hymne Schwarzen Selbstbewusstseins geliefert hat. Adjuah schafft es mit ihrer Stimme, die fast ausschließlich von einem E-Piano begleitet wird, den Konzertraum komplett zu füllen. Meine auf HipHop-Jams sozialisierte Begleitung ist konsterniert wie andächtig und gleichzeitig begeistert, das Publikum reagiert. Erst seit sie urplötzlich immerhin zahlreicher geworden sind, fällt allen auf, dass auf vielen Konzerten nicht nur auf der Bühne Frauen in der Unterzahl sind, sondern immer noch auch im Publikum.

Die Haare zu langen Maxi-Braids geflochten, betritt kurz darauf Jamila Woods die Bühne der Berliner Berghain-Kantine. „Heavn“, das Debütmixtape der 27-Jährigen, die als Spoken-Word-Künstlerin angefangen hat, wurde 2016 veröffentlicht. Darauf singt Woods über Beziehungen, über die Segregation in ihrer Heimatstadt und fordert die Umdeutung der von weißen Männern geschriebenen Geschichte. Dabei bezieht sie sich einerseits auf afrofuturistische Vorstellungen einer alternativen afroamerikanischen Erzählung im Weltraum. Andererseits ist Woods’ Aktivismus ganz konkret: Sie glaube nicht nur an eine Schwarze Zukunft, sondern arbeite vor allem an einer Schwarzen Utopie im Hier und Jetzt, sagte die Künstlerin im Interview mit der taz.

Im Oktober erhielt „Heavn“ seinen letzten Schliff, als sie ihr Debüt wegen ungeklärter Samples erneut veröffentlichen musste. Vor allem dem neu instrumentierten Titeltrack, mit dem Woods auch das Berliner Konzert eröffnet, hört man bereits den dazu gewachsenen Band-Kontext deutlich an. Alle 13 von befreundeten Chicagoer ProduzentInnen produzierten Beats werden für die Bühne von Bass, Schlagzeug und Gitarre sowie einer Keyboarderin, die auch einige sparsame Samples abfährt, übersetzt. Der enorm funky Drummer drischt dabei allerdings derart auf sein Schlagzeug ein, dass selbst an der Rückwand der Berliner Kantine seine Töne überwiegen.

Es gelingt Jamila Woods mit ihrer Band, neue Konzertfassungen aus ihren Songs zu machen: „Stellar“ überrascht mit einem Off-Beat; „LSD“, Woods’ Kollaboration mit dem ebenfalls aus Chicago stammenden, ungleich bekannteren Chance The Rapper, wird in ein smoothes Slow-Funk-Dress gesteckt; der pluckernde Bass von „Vry Blk“ zu einem wavy Synthesizer-Spiel weitergedacht.

In diesem Song, der ihren „Brüdern“ gewidmet ist, die durch Polizeigewalt starben, übernimmt Woods very incredible auch den Part, den in der Studioversion die Rapperin Noname beisteuert. „Holy“ wird eingeleitet mit einem kraftvollen Spoken-Word-Intro. Während man sich fragt, wie die junge Chicagoerin es schafft, so viele Referenzen und so zündende eigene Ideen zusammenzubringen, beginnt plötzlich eine Coverversion von Destiny’s Childs „Say My Name“. Wie als Beweis für Woods’ Stile, Grenzen und Personen kumulierenden Ansatz verschmilzt der R&B-Hit von 1999 mit Woods’ eigenem „In My Name“.

Nicht immer findet am Samstagabend die sehr präsente, jazzy muckende Band mit Woods’ Stimme zusammen. Dennoch wachsen ihre Songs zu etwas Neuem, ganz Anderen, als das Album „Heavn“ es schon versprach. Im Gedächtnis bleiben vor allem die Botschaften, derer man viele zitieren könnte. Für eine ist noch Platz: „Meet me in outta space / We could start again“, heißt es in „Stellar“. Das Private war noch nie so politisch.

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