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Kein Wunder

Anthroposophische Misteltherapie: sie ist das zentrale Mittel bei der integrativen Onkologie. Ihre Wirksamkeit gilt als belegt

Eine Prüfung von Studien des europäischen CAM Cancer-Project über die Mistel aus dem Jahr 2015 konnte zeigen, dass die Misteltherapie die Lebensqualität während der Strahlenbehandlung tatsächlich positiv beeinflusst. „Heute gibt es über 130 Studien, die zumindest das eindeutig nachgewiesen haben. Die Verträglichkeit der klassischen Krebstherapien, insbesondere der Chemotherapie, kann deutlich verbessert werden, ohne die Wirksamkeit der Therapien abzuschwächen“, so der Biologe Michael Schink, medizinischer Wissenschaftler bei Helixor in Rosenfeld. Zuvor hatte 2008 die internationale Cochrane Collaboration den Stand der Forschung zur Mistel­behandlung bewertet. Dabei konnten von 80geprüften Studien 58 wegen wissenschaftlicher Mängel nicht berücksichtigt werden. Die übrigen Studien mit positivem Ergebnis zur Behandlung wiesen teils ebenfalls Defizite auf.

Von Sophie Schrader

Die Mistel (Viscum album) – Liebespaare küssen sich unter den Zweigen mit den glasig-weißen Beeren, um ein Leben lang zusammenzubleiben. Ein schöner Brauch von ungeklärter Herkunft. Doch für Krebspatienten birgt die Mistel eine ganz andere Hoffnung. Seit nun gut 100 Jahren sind Mistelpräparate fester Bestandteil der komplementären Krebstherapie. Rudolf Steiner war es, der in der Parallele der schmarotzenden Pflanze zum Wachstum von Tumorzellen im menschlichen Organismus ein heilendes Potenzial erkannte. Auf seine Anregung hin entwickelte die Ärztin Ita Wegmann das erste Mistelpräparat, Iscador, das 1917 auf den Markt gebracht wurde.

Mildernder Effekt

Als Konzentrat unter die Haut gespritzt, sollen Mistelpräparate neben einer ihnen nachgesagten tumorhemmenden Wirkung vor allem positive immunologische Effekte haben, die die Nebenwirkungen einer Strahlentherapie abmildern und die Lebensqualität des Patienten positiv beeinflussen. „Die Misteltherapie kann in der Tat die Verträglichkeit der Chemotherapie verbessern“, so Christfried Preußler, Facharzt für Allgemeinmedizin in Überlingen. Die Misteltherapie zählt heute zu den am häufigsten angewandten und am besten erforschten Therapieformen in der komplementären Krebstherapie. Tatsache ist, dass die Mistel abwehrende Stoffe enthält, die sie vor Fressfeinden schützt.

Krankenkassen zahlen nichts

In ihrem Presssaft finden sich unter rund 1.000 verschiedenen Inhaltsstoffen das komplexe Protein Lektin und das Gift Viscotoxin. Isoliert und aufbereitet, werden diese in Tierversuchen und Tests an Zellkulturen analysiert. Die Ergebnisse zeigen, dass durch immunologische und toxische Effekte Zellkulturen abgetötet und Immunzellen stimuliert werden. Doch, so merken Kritiker an: Die Beobachtungen kommen aus dem Labor – ob sich eine tumorhemmende Wirkung am kranken Menschen zeigt, ist bisher noch nicht wissenschaftlich nachgewiesen. Hinweise auf einen positiven Einfluss auf das menschliche Immunsystem sind hingegen erkennbar.

Obwohl die Misteltherapie begleitend zur Schulmedizin angeboten wird, müssen die Patienten für die Kosten der Therapie in den meisten Fällen selbst aufkommen. Da die Präparate rezeptfrei in Apotheken zu kaufen sind, zahlen die Krankenkassen in der Regel nichts. Ausnahmen werden gemacht, wenn das Präparat auf die Verbesserung der Lebensqualität bei nicht heilbaren Erkrankungen abzielt, also in der Palliativmedizin.

Fest steht: Die Mistel bewirkt keine Wunder. Hinweise auf einen positiven Einfluss auf die Lebensqualität zur Linderung der Nebenwirkungen einer Strahlentherapie sind hingegen bestätigt.

Alle vier Jahre veröffentlicht der KVC-Verlag die aktuellen An­sätze zur Erforschung der Mistel in der Tumortherapie: www.kvc-verlag.de/shop/Die-Mistel-in-der-Tumortherapie:::8.html