„Keine Angst, die Zukunft wird schräg“

Er ordnet sich in die Tradition der Surrealisten ein, findet aber, dass Max Ernst, André Breton und René Magritte etwas falsch gemacht haben. Was genau, kann der Künstler Thomas Zipp im Interview nicht erklären. Kein Problem: Die Übererkenntnis gewinnt, wer die schmutzigen Blätter zu sich nimmt

Interview: Barbara Wündisch

taz: Warum hast du die Ausstellung „Dirty Tree Black Pills“ genannt?

Thomas Zipp [zeigt ein Bild]: Hier ist zum Beispiel ein dirty tree. Das ist ein Baum, der hat zwei, vier, sechs Blätter. Die ganz normalen Blätter sind ganz normal, und die anderen haben eine gewisse Wirkung.

Welche?

Weiß ich nicht genau, aber die sind in den Tabletten drin. Die black pills bewirken etwas, die sind nicht sauber, die sind schmutzig. Schmutz ist gut, weil es nicht so normal ist.

Der dirty tree als Gegenpol zum Baum der Erkenntnis?

Ja. Dirty tree ist die Übererkenntnis, und die gewinnt man, wenn man die schmutzigen Blätter zu sich nimmt.

Sprich, Drogen?

Das wäre zu einfach. Eher so ein gewisses Risiko, was immer das auch sein kann. Dirty tree hat außerdem eine Doppelbedeutung. Es sind 33 Tabletten, Thirtythree.

Welche Weltsicht spiegelt sich in dem gleichnamigen Bild „Dirty Tree Black Pills“?

Meine halt. Meine private Welt.

Auf mich wirkt es düster.

Ja, so sieht die Zukunft aus. Aber wird schon werden! Ich bin nicht so ein Pessimist. Die Zukunft wird schräg.

Gibt es eine religiöse Komponente in deinen Bildern?

Ja.

Welche denn?

Weiß ich nicht.

Gibt es für dich Gott?

Das ist schon wieder so vordefiniert, weißte. Es gibt doch nichts Undefinierteres als Gott. Bärtiger Mann.

Lassen wir den beiseite.

Ich gucke ein bisschen weiter, nicht nur an der Oberfläche. Man kann es geschichtlich betrachten. Es wird alles immer flacher, weil es einfacher ist. Das stimmt aber nicht. Die Wahrnehmung wird flacher, weil immer geguckt wird, wie kommt man schnell zurecht. Man weiß, wann man Auto fährt, wann man die Miete bezahlen muss.

Bedeutet religiös dann Tiefgang für dich?

Genau, ja. Mann, wollen wir das Gespräch nicht in eine Kneipe verlegen?

Ach, lieber nicht. In welcher Tradition siehst du dich?

In der europäischen.

Ein bisschen genauer noch.

Was meinst du denn damit?

Gibt es Vorbilder?

Ja, klar, auf die Kunst bezogen. Meine Tradition ist die klassische Moderne, Surrealismus. Ich gehe da zwar ein bisschen schroff mit um, ich habe sie ja alle rumstehen, Max Ernst, André Breton, René Magritte. Ich guck mir das an, was die gemacht haben, ich finde es ja ganz gut, aber es ist falsch. Dann wird es verändert, verbessert, weitergeführt.

Was findest du daran falsch?

Naja, zum Beispiel hier, mit den Augen zu. [Er deutet auf eine Seite aus der Zeitschrift „La Révolution Surrealiste“, auf der sämtliche Künstler die Augen vor einer nackten Frau verschließen]. Alles ist falsch, alles.

Ganz schön selbstbewusst, so etwas zu sagen: „Alles ist falsch, und ich bin gekommen, um es richtig zu machen.“ Das klingt nach dem Messias, einer Erlösungsfigur.

Nun ja, ich bin autoreligiös eigentlich.

Jetzt haben wir’s. Wie kommt man dazu, so zu denken?

Es hat angefangen mit einer Schulmilch. Ich war zwölf und bin im Wald spazieren gegangen. Und da war so ein Lichtbröckchen, und es war alles dunkel im Wald. Und dann habe ich Botschaften empfangen. In die Milchtüte, echt, das stimmt. Keine konkreten Botschaften. Ich habe Energie gekriegt. Dass ich weiß, ich steh da, unter mir ist die Erde und ich kann was machen. Und genau das werde ich tun.

Siehst du dich auch in einer New Age-Tradition?

Wenn ich New Age höre, dann denke ich immer an so amerikanische Air-Brush-Zombies. Aber ich habe mich nicht genau damit beschäftigt.

Was möchtest du, dass die Leute über dich in 50 Jahren sagen?

Den wählen wir. Der hat sich aufstellen lassen. Übrigens, was wählst du denn am 18. September?