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Was uns blüht

Schon bald könnten viele Menschen im Zuge der Digitalisierung ihren Job verlieren. Ein Grund, vor Angst in eine Schockstarre zu fallen?

Von Katharina Meyer

Von Menschen entwickelte Technologien und (Kultur-)Techniken scheinen im Gegensatz zur Natur mit ihren „wilden Raumgriffen“ zu stehen. In der Theorie der sozialen Formung kann man zwar von einer gewissen „Unausweichlichkeit“ des technologischen Fortschritts sprechen. Nicht unausweichlich ist aber dessen Art des Einsatzes.

Es ist umso erstaunlicher, dass Roboter oder künstliche Intelligenzen (KI) vor allem in ihrer möglichen Einflussnahme auf Arbeitsplätze der Zukunft behandelt werden wie unvorhersehbare Naturgewalten – außerhalb jeder rechtlichen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Kontrolle.

Katharina Meyer

ist Technik- und Kulturhistorikerin, zudem Kuratorin bei der re:publica. Am taz lab spricht sie über Utopien und Dystopien digitaler Kultur, über das, was uns blüht.

Die Herausforderung besteht dabei nicht nur im Umgang mit neuen Technologien selbst, sondern vor allem in der demokratischen Teilhabe an ihrer Konfiguration, Entwicklung sowie der mit ihrer Einführung verbundenen Neuausrichtung sozialen Handelns.

Die in jüngster Zeit zuhauf erschienenen Grün- und Weißbücher zur Zukunft der Arbeit sind ein guter Gradmesser für bestehende gesellschaftliche Ängste vor Technologien. Der zunehmende Grad von Automatisierungsprozessen und die Entwicklung neuer Arbeitsformen, die als Vorboten weniger Planbarkeit und Sicherheit verstanden werden, sind dabei von zentraler Relevanz. Denkt man bei der Zukunft der Arbeit aber menschenzentriert, wird man nicht darauf aus sein, jeden einzelnen Arbeitsschritt in der Fertigung zu automatisieren. Selbst wenn wie bisher bei jeder Disruptionswelle neben dem Wegfall von Stellen auch neue Arbeitsplätze geschaffen werden, sind diese nämlich oft gering entlohnt und „unattraktiv“. Ein Beispiel sind die von Menschen eingenommenen Posten, die KI-Systeme unterstützen.

Ein höherer Technisierungs- grad schafft nicht unbedingt mehr Freizeit.

Wir sprechen von Hausmeistern, die Büros instand halten, von Technikern, die defekte Server reparieren, oder Gig-Workern, die Datensätze bereinigen. Geradezu opak ist die Arbeitsleistung, die wir ganz nebenher in Form von Datenspuren verrichten. Unsere Körper, ob stranguliert durch Überwachung jedes Tastenschlags zur Effizienzsteigerung oder als Salzstreuer von Gesundheitsdaten, ist als Arbeitnehmer mittlerweile doppelt wertvoll. Worauf man jedoch nicht hoffen darf ist, dass ein höherer Technisierungsgrad dazu beiträgt, mehr Freizeit zu schaffen. Das hat sich schon einmal als falsch herausgestellt.

In smarten Küchen entstanden beispielsweise durch die Mechanisierung immer neue Aufgaben, die das Versprechen arbeitsersparender Technologien aber nicht einlösten. Das Hauptziel von Smart Housing, wie die Steuerung von Heizung oder Beleuchtung, ist die zen­trale Steuerung von Funktionen. Kein selbstreinigendes Haus. So entsteht keine Arbeitserleichterung für „Hausfrauen/-männer“, sondern eine Verlagerung des Zuständigkeitsbereichs: Hausfrauen/-männer als Operator.

Bevor wir aber angesichts der Roboter oder künstlicher Intelligenz in eine Schockstarre verfallen, kümmern wir uns lieber um jene, die heute schon benachteiligt werden. Genossenschaftliche Gegenmodelle zum Plattformkapitalismus braucht es dafür. Any ideas? Die Digitalressorts vielleicht aus den Händen der arbeitgebernahen CDU nehmen und stattdessen ungewöhnliche Tarifunionen schließen, die Generationen an einen Tisch bringen? Genauso wie Arbeit an sich seit der Antike eine Aufwertung und Neuverhandlung erfahren hat, veränderte sich auch stetig ihre Bedeutung als staatsorganisierendes Ins­tru­ment.

Vielleicht ist es an der Zeit, Arbeit und ihren Einfluss auf die Absatzmärkte, trotz überwältigender Erfolgsgeschichte der Technokratie und des Kapitalismus, für einen Moment hinter wirkliche Nachhaltigkeit zu stellen.

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