zwischen den rillen
: Die neue Leuchtkultur

Posterboys der gelungenen Integration: Culcha Candela aus Berlin verbinden auf „Next Generation“ Reggae und HipHop

Es ist nicht alles Aggro in Berlin. Zwar gibt das gleichnamige HipHop-Label derzeit in der Rap-Community den rauen Ton an und hat den Ruf der Stadt als Metropole der schlechten Manieren zementiert. Dabei gibt es durchaus noch eine Jugendkultur, die das rot-grüne Gemüt in seiner Angst vor amerikanischen Zuständen auf deutschen Spielplätzen und Schulhöfen beruhigen dürfte.

Die Berliner Band Culcha Candela begreift sich bewusst als Gegenmodell zu den Aggro-Rüpeln und könnte glatt aus dem Wunschkatalog der Integrationsbeauftragten entsprungen sein. Das siebenköpfige, multiethnische Rap’n’Ragga-Kollektiv sendet betont positive Vibrationen aus und erklärt auf seiner Webseite: „Lieder, die andeuten, das ganze Leben sei eine Champagnerflasche mit 500 PS und Haremanbindung“, die seien von ihnen nicht zu erwarten; es gebe schließlich „wichtigere Sachen im Leben, als die Menschen permanent mit seiner Penisgröße, Hodengewicht und der scheinbar angeborenen Homophobie zu unterhalten“.

Culcha Candela, so geben sie uns zu verstehen, sind eben die Guten. Auf ihrem Album „Next Generation“ sinnieren sie deshalb denn auch lieber über das Glück schöner Tage („Partybus“) und schöner Frauen („2ter Blick“), warnen vor harten Drogen („Una Cosa“) oder beschwören den Weltfrieden („More Peace“), als dass sie anderen Mische androhen oder mit ihrer Omnipotenz protzen. Selbst für schlichte Öko-Botschaften ist da noch Platz („Mutter Erde“) im Reimkästchen.

Mit der „Next Generation“, die sie im Albumtitel führen, meinen Culcha Candela natürlich sich selbst, schließlich zählen sie fast alle zur zweiten Generation deutscher Einwandererkinder. Sie sind stolz darauf, Verbindungen in alle Ecken der Welt zu unterhalten: Der Rapper Don Cali etwa stammt ursprünglich aus Kolumbien, und die Mutter von DJ Chino kam einst aus Südkorea nach Deutschland. So ist auch der Name der Band eine sprechende Promenadenmischung, die sich zusammensetzt aus „Culcha“, also der Slang-Variante des englischen „Culture“, und „Candela“, dem spanischen Ausdruck für „Kerze, Licht“. Kombiniert, ergibt das die Forderung nach einer neuen Leuchtkultur.

Man kann den Albumtitel „Next Generation“ aber auch als selbstbewussten Verweis auf die Rap-Konkurrenz betrachten im Sinne von: Hier wird HipHop auf eine höhere Ebene gehoben. Oder, wie es in Computerspielen heißt: welcome to the next level. Auch diese Lesart hat etwas für sich, denn in der selbstverständlichen Vermischung karibischer Stile mit dem universellen HipHop-Esperanto sind Culcha Candela den meisten ihrer Kollegen tatsächlich ein paar Tanzschritte voraus.

Erst kürzlich fertigten Culcha Candela an einem Remix für den Reggaeton-Star Speedy und dessen Hit „Sientelo“ an. So wundert es nicht, das der neue Beat aus der Karibik auch auf „Second Generation“ Eingang gefunden hat. Ansonsten aber macht ihr neues Album „Second Generation“ genau da weiter, wo das Debüt „Union Verdadera“ endete: Bei der polyglotten Vermischung von HipHop, Dancehall und Reggae mit einigen kräftigen Latin-Spritzern und der Kraft der drei Sprachen Englisch, Spanisch und Deutsch.

Mag ihr Missionsdrang manchmal etwas angestrengt wirken, wie auch die betont zur Schau getragene Multikulturalität der Band: Culcha Candela schwören darauf, nicht von einem cleveren Produzenten als Multikulti-Boygroup gecastet worden zu sein, sondern selbst zueinander gefunden zu haben. Der Kern der Truppe raufte sich im Sommer 2002 zusammen, er besteht aus dem afrodeutschen Ragga-MC Johnny Strange sowie den beiden Vokalisten Lafrotino und Itchyban. Mit der Zeit stießen vier weitere Mitglieder dazu, bis man auf die magische Zahl Sieben angewachsen war.

Tatsächlich sind Culcha Candela so etwas wie die deutsche Variante einer Conscious-Band, die HipHop gleichermaßen als Mittel der politischen Aufklärung wie als Entertainment begreift. Man kann sie in einer Linie mit aufgeklärten HipHop-Heads wie Arrested Development oder den Roots sehen, aber auch mit politisch engagierten Migranten-Combos wie der Asian Dub Foundation aus London, Zebda aus Frankreich oder Outlandish aus Dänemark.

Mit Letzteren haben sie gemein, dass sie sich bewusst an der Grenze zum Pop-Mainstream bewegen. So sind sich Culcha Candela auch nicht zu schade, ein paar Dance-Steps in ihre Bühnenshow einzubauen, halten sie doch den Unterhaltungs-Aspekt genau so hoch wie die alten HipHop-Werte von Love, Peace and Unity. Und, ach ja, ganz hübsch sehen die sieben Jungs auch noch aus: Für eine Karriere als potenzielle Bravo-Posterboys ist das allemal eine gute Voraussetzung.

DANIEL BAX

Culcha Candela: „Next Generation“ (Urban/Universal)