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Archiv-Artikel

Eine Gefahr für die Ostsee

Pipelines, die im Meer verlaufen, sind ökologisch gefährlich, sagen Geologieexperten

BERLIN taz ■ Die legendäre „Druschba“-Trasse bekommt jetzt eine Schwester: Eon, BASF und Gazprom bauen für 4 Milliarden Euro eine neue Pipeline von Russland nach Deutschland. „Druschba“ – was übersetzt Freundschaft heißt – war ein Symbol für den Aufbau des Sozialismus: FDJ-Brigaden fuhren „an die Trasse“, wo sie zu Helden im sibirischen Morast stilisiert wurden.

Die neue Pipeline ist jedoch nicht mit der alten „Freundschaftsstraße“ zu vergleichen. Erstens wird sie nicht an Land, sondern auf dem Ostseegrund verlegt – knapp 1.200 Kilometer vom Wyborg nach Greifswald. Zweitens wird hier Erdgas statt Erdöl transportiert. Und drittens: Die neue Trasse sorgt schon vor ihrer Entstehung für Ärger.

Von den politischen Problemen einmal abgesehen: „Eine Pipeline auf dem Meeresgrund ist eine größere ökologische Bedrohung als eine an Land verlegte“, sagt Professor Jan Harff, der am Rostocker Institut für Ostseeforschung für Geologie zuständig ist. Ein Leck an Land könne relativ schnell entdeckt werden, eine havarierte Unterseeleitung bleibe tagelang unentdeckt. „Wie groß die Havarie-Gefahr ist, hängt von der Trassenführung ab“, sagt Harff. Die Ostsee habe einige tektonische Spezifika, „die unbedingt berücksichtigt werden müssen“.

Dass die Trasse auf dem Meeresgrund gebaut wird, hat vor allem mit der Kostenstruktur zu tun. „An Land müssten die Grundstücke gekauft werden. Außerdem werden für die Durchleitungen Konzessionen erhoben“, so Professor Broder Merkel, der an der Freiberger Bergakademie Hydrogeologie lehrt. Meeresleitungen müssten erstens größerer Korrosion und zweitens höherem Druck standhalten – in hundert Metern Tiefe ist der Druck zehnmal so groß wie auf der Erdoberfläche. Andererseits sei die Ostsee jedoch weder „sonderlich tief noch sonderlich salzhaltig“, sagte Merkel. „Für Russland war es wichtig, eine direkte Anbindung an den mitteleuropäischen Markt zu schaffen“, sagt Eon-Sprecherin Astrid Zimmermann. Die Trasse durchs Meer sei klare Vorgabe aus Moskau gewesen. Die beiden anderen Pipelines – Jamal endet wie „Druschba“ in Schwedt, Bruderschaft im bayerischen Waidhaus – führen über Weißrussland beziehungsweise die Ukraine.

In Betrieb genommen werden soll die neue Trasse 2010, Baubeginn könnte noch in diesem Jahr sein. An dem deutsch-russischen Gemeinschaftsunternehmen, das offiziell den Titel „Nordeuropäische Gasleitung“ (NEGP) trägt, sind Gazprom mit 51, BASF und Eon mit jeweils 24,5 Prozent beteiligt. Damit wird Deutschland ein bisschen mehr abhängig vom russischen Willen: So deckt die Bundesrepublik heute 30 Prozent seines Erdgashungers aus russischen Quellen. Die neue Pipeline wird 30 Milliarden Kubikmeter jährlich transportieren, was den Anteil dann auf 40 Prozent erhöht.

NICK REIMER