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: Größer als das Leben

„Porto“ (USA 2016, Regie: Gabe Klinger)Die DVD ist als Import ab rund 14 Euro erhältlich

Gabe Klinger war ein schon viel beachteter und bestens vernetzter Filmkritiker, als er den Dokumentarfilm „Double Play“ über eine Begegnung der Regisseure Richard Linklater und James Benning drehte. Der Film, Fortsetzung der Kritikertätigkeit zunächst eher als Beginn einer Karriere als Regisseur, lief in einer Nebenreihe beim Festival in Venedig und war weit mehr als die Sorte filmischer Dokumentation, die als Extra auf DVDs landet. Zu seiner eigenen Überraschung gelang es Klinger dann, ein erstes Spielfilmprojekt zu finanzieren, Jim Jarmusch war so begeistert, einen Produzentenkredit zu geben, und Klinger schaffte, wovon mancher Kritiker träumt: auf die andere Seite zu wechseln, Filme zu machen.

Also so wie die Kritiker der Nouvelle Vague, an deren Filme „Porto“, Klingers Debüt, durchaus erinnert. Nicht zuletzt mit seiner weiblichen Protagonistin, Mati, von der sehr Nouvelle-Vague-haften Schönheit Lucie Lucas gespielt. In diese Mati, angedeutet wird: sie ist psychisch fragil, verliebt sich Jake, für den Klinger den gerade – unter anderem als Chekov-Darsteller im Star-Trek-Relaunch – zu Ruhm gelangenden Darsteller Anton Yelchin gewann. Der allerdings hat das Erscheinen des Films nicht mehr erlebt, denn er kam, bei einem grotesken Unfall von seinem eigenen Auto erdrückt, tragisch ums Leben.

Zu den Nouvelle-Vague-Referenzen gehört der experimentelle Umgang des Films mit der Zeit, auch mit der Realität. Außerdem sind schon die auf analogem Filmmaterial gedrehten Bilder cinephil konnotiert. Auch deshalb, weil das Material von Super 8 zu 16mm zu 35mm wechselt, wobei sich auch das Bildformat ändert. Alles analog, aber nichts daran ist, so die Botschaft, stabil. Die Liebesgeschichte, die in fadenscheinigen Erinnerungsfetzen erzählt wird, erinnert zunächst deutlich an Richard Linklaters „Before Sunrise“: Mehr als eine Nacht ist hier eigentlich nicht. Porto spielt die Rolle von Wien. Beide, Mati wie Jake, er Amerikaner, sie Französin, sind Fremde in der portugiesischen Stadt über dem Tejo, deren postkartenhafte Seiten der Film ins Bild setzt. Fotografiert ist das in all seiner Schummrigkeit für die Farbkomposition sehr schön. Schön allerdings auch ein bisschen im Sinn der kleinen Schwester von allzu preziös.

Die Geschichte der Begegnung von Mati und Jake ist nicht chronologisch erzählt. Zum einen werden erst Jakes, dann Matis Erinnerungen an die gemeinsame Nacht in Bildern geschildert, denen man nach und nach zuzutrauen lernt, dass sie lügen. Erst die Erinnerung – die Erinnerung Jakes – macht diese Nacht larger than life. Der Mann hat seine creepigen Seiten, und Anton Yelchin bringt sie mit seiner rauen Stimme, die wie etwas Schweres und Feuchtes an jedem einzelnen Wort klebt, heraus. Wie man in Matis Erinnerungen begreift, wird er, als sie die Sache sehr rasch beendet, zum Stalker. Also ein mehr als grenzwertiger Fall.

Schwer zu begreifen ist dann allerdings, warum der Film damit endet, seine Perspektive einzunehmen. Er verbündet sich, Jakes Wünsche fehlerinnernd erfüllend, mit dem Blick des männlichen Stalkers, als wollte er sagen: Alles an dieser männlichen Konstruktion einer überirdischen Liebesgeschichte ist Lüge. Es deutet nur viel mehr darauf hin, dass der Film selbst daran glaubt. Ekkehard Knörer