: Namen für die Täter
TABU Ein Buch über bereitwillige Nazideutschland- Helfer sorgt in Norwegen für Aufregung
BUCHAUTOR EIRIK VEUM ÜBER SEINE KONTAKTE MIT EHEMALIGEN ANGEHÖRIGEN DER GESTAPOÄHNLICHEN NORWEGISCHEN STATSPOLITIET
„Das Böse war auch norwegisch“, lautet das Fazit, das der Journalist Eirik Veum zu seinem eigenen Buch zieht. „Wir haben einige der schlimmsten Verbrechen begangen.“ Neu ist es nicht, dass auch viele Norweger sich nach der Besetzung ihres Landes im April 1940 allzu bereitwillig in den Dienst Nazideutschlands stellten. Doch Veum hat jetzt Einzelheiten zu einem besonders heiklen Kapitel dieser Geschichte veröffentlicht. Sein am Montag erschienenes Buch „Gnadenlose Norweger“ befasst sich mit den Taten der „Statspolitiet“, einer Art norwegischer Gestapo. Und nennt erstmals alle 956 Mitglieder der berüchtigten Einheit beim Namen.
Hauptaufgabe dieser rein norwegischen Polizeitruppe war die Bekämpfung der norwegischen Widerstandsbewegung. Mit allen Mitteln. Misshandlungen, Folter und Hinrichtungen eingeschlossen. Dabei gingen viele Statspolitiet-Angehörigen so brutal vor, dass es „sogar den Deutschen zu weit ging“, so Veum. Einige seien deshalb aus dem Dienst entlassen und aus der norwegischen Nazipartei ausgeschlossen worden.
Soweit sie den Krieg überlebten, sich nach der Befreiung Norwegens nicht ins Ausland absetzten oder untertauchten, ist den meisten Angehörigen der Truppe nach 1945 der Prozess gemacht worden. Alle Akten in staatlichen Archiven sind bis heute unter Verschluss, ausschließlich Forschern zugänglich, und Namen dürfen nicht veröffentlicht werden.
Dieses Tabu brach nun Eirik Veum. „Ich habe selbst sehr lange mit mir gekämpft, ob ich das tun, oder dieses Kapitel einfach schließen soll“, sagt er. Und damit steht er nicht allein da: Am Erscheinungstag von „Gnadenlose Norweger“ war es vor allem dieser Aspekt, der kontrovers diskutiert wurde. „Das zerstört den Rest meines Lebens“, klagte zum Beispiel ein 92-jähriger ehemaliger Angehöriger der Gestapo-Truppe. Nicht einmal alle Angehörigen seiner Familie hätten von dieser Vergangenheit gewusst. Alle, die sich der Statspolitiet anschlossen, „wussten, was sie tun“, sagt der Historiker Terje Emberland vom Osloer Holocaust-Zentrum. „Das macht es einfacher, sie beim Namen zu nennen – problematisch ist es aber trotzdem.“
Mit einem Dutzend noch lebender ehemaliger „Staatspolizisten“ stand Veum vor der Buchveröffentlichung in Kontakt: „Keiner hat Reue gezeigt. Sie hätten eben Terroristen bekämpft, wie sie Norwegen nun ja auch in Afghanistan bekämpfe.“
REINHARD WOLFF, STOCKHOLM