piwik no script img

Weitgehend wirkungslos

Weil die Mietpreisbremse zu viele Ausnahmeregelungen enthält, greift sie nicht. Wer einen neuen Vertrag unterschreibt, sollte dennoch vorab selbst die Höhe der Miete überprüfen

Von Hannes Koch

Die sogenannte Mietpreisbremse war gut gemeint. Allerdings funktioniert sie schlecht oder gar nicht, lautet die verbreitete Ansicht. „Das Gesetz ist lückenhaft, und die Vermieter ignorieren es weitgehend“, sagt Wibke Werner, Vizegeschäftsführerin des Berliner Mietervereins. Für einkommensschwache Bevölkerungsschichten bewirke die Regelung keinen Vorteil, bemängelt Alexander Wiech vom Verband Haus & Grund, der die Eigentümer vertritt.

„Abschaffen“, lautet Wiechs Fazit deshalb. Mieterschützerin Werner fordert dagegen, das Gesetz zu verbessern. Vor gut zwei Jahren hat es die Große Koalition auf Initiative der SPD beschlossen. Die Sozialdemokraten verfolgten die Absicht, die Steigerung der Wohnungsmieten deutlich zu begrenzen, mussten sich mit der Union jedoch auf Kompromisse einigen.

Das Gesetz gilt grundsätzlich nur in Gebieten mit „angespanntem Wohnungsmarkt“ – dort also, wo die Kosten für Mieter*innen unter anderem infolge von Knappheit stark steigen. Welche Gebiete das sind, legen die Kommunen fest. Über 300 Gemeinden haben das seit 2015 getan. Dann darf der Preis einer Wohnung bei Neuvermietung die „ortsübliche Vergleichsmiete“ nur höchstens um 10 Prozent überschreiten. Beträgt diese beispielsweise 7 Euro pro Quadratmeter, darf die neue Miete maximal 7,70 Euro betragen.

Allerdings wurden mehrere Ausnahmen eingebaut. So gilt die Regel nicht für die Erstvermietung in Neubauten und den Vertragsabschluss nach einer umfassenden Sanierung. Außerdem herrscht Bestandsschutz für Mieten, die die Grenze bei der Neuvermietung bereits überschreiten, weil die Vormieter sie akzeptiert und bezahlt haben. Eine einmal durchgesetzte Miethöhe muss der Eigentümer nicht reduzieren.

Nicht nur in Berlin scheinen unter anderem diese Ausnahmen dafür verantwortlich zu sein, dass das Gesetz keinen Effekt hat. Auch bundesweit müsse man von der „weitgehenden Wirkungslosigkeit der Mietpreisbremse“ ausgehen, schrieb die Grüne Bundestagsfraktion im vergangenen Jahr. Sie hatte eine eigene Untersuchung in Auftrag gegeben.

Die Probleme liegen vor allem bei den Ausnahmen. Diese abzuschaffen verlangt Mieterverein-Geschäftsführerin Werner. Zudem solle den Vermieter*innen eine Auskunftspflicht auferlegt werden, so Werner. Sie müssten dann erklären, wie sie zu der neuen Miethöhe kommen. Heute brauchen sie diese Angaben nicht zu machen, sondern legen eine Summe pro Quadratmeter fest. Im Fall einer überhöhten Miete sind die Nutzer*innen gezwungen, vom Vermieter Auskunft zu fordern, ob Ausnahmetatbestände die zusätzlichen Kosten rechtfertigen.

Der Mieterverein setzt sich auch dafür ein, dass Immobilienbesitzer zu hohe Mieten rückwirkend bis zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses erstatten. Nach gegenwärtigem Recht müssen sie die Differenz zur erlaubten Miete nur bis zu dem Zeitpunkt zurückzahlen, zu dem die Mieter*innen ihre Rüge einreichten. Weiterhin sollte es ein Ordnungsgeld geben, wenn Hausbesitzer zu viel verlangen, fordert der Mieterverein.

Hilfe & Infos

Unter dem Motto „Aktion Mietpreisüberprüfung“ hilft der Berliner Mieterverein Mitgliedern und Nichtmitgliedern per Fragebogenauswertung, wenn sie die Einhaltung der Mietpreisbremse bei ihrer Wohnung überprüfen wollen. Die Informationen stehen auf der Starts­eite von www.berliner-mieterverein.de, Tel. (030) 22 62 60, Spichernstr. 1, 10777 Berlin. Die Berliner MieterGemeinschaft bietet für ihre Mitglieder Beratung und Infos zur Miet­höhe; www.bmgev.de, Tel. (030) 2 16 80 01, Möckernstr. 92, 10963 Berlin.

Wer einen neuen Mietvertrag unterschrieben hat, sollte selbst die Höhe der Miete überprüfen. Dazu schaut man in den aktuellen Mietspiegel, der die ortsübliche Vergleichsmiete enthält. Wer unsicher ist, kann sich an den Berliner Mieterverein wenden und dort seine Wohnungskosten überprüfen lassen (siehe Kasten). Diese Möglichkeit steht auch Nichtmitgliedern offen.

Die Rüge an den Hausbesitzer bei zu hoher Miete sollte man schriftlich ­formulieren und begründen. Werner rät, in einer Rechnung darzulegen, warum man die Miethöhe anficht. Mitunter sind die Eigentümer*innen dann zu Vergleichen bereit. Wenn nicht, kann man den Weg einer Klage vor Gericht erwägen.

Wichtig ist es, die Miete nicht eigenmächtig zu kürzen. Denn Mietschulden können zur Kündigung der Wohnung durch den Hausbesitzer führen. Beachtet man diese Vorsichtsmaßnahme, sollten den Mieter*innen aus einer Rüge keine Nachteile entstehen.

Werner rät, nur solche Wohnungen zu mieten, deren Kosten man in jedem Fall bezahlen kann, selbst wenn sie überteuert erscheinen. Denn auch eine Rüge anlässlich der Mietpreisbremse bietet keine Garantie, niedrigere Kosten durchzusetzen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen