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Christoph Raffelt MundwerkExtremer Weinbau am Rande der Niagarafälle

Als ich mich 2013 auf der Naturweinmesse RAW in London umschaute, war mir klar, dass ich dort auf einige ganz besondere, teils extreme Weine treffen würde. RAW bedeutet ja „roh und wild“, und manche dieser Weine waren auch genau das. Vom ungeschliffenen Diamanten bis hin zum mikrobiell eher fragwürdigen Stinker war alles dabei. Was ich nicht erwartet hatte, war, auf einen Kanadier zu treffen, der dort Weine mit einer Eleganz anbot, die mich direkt in ihren Bann ziehen würde.

Kanadischer Wein, das war etwas, was ich ausschließlich mit Eiswein verband. Tatsächlich ist Kanada weltweit der größte Produzent jener Süßweine, deren Trauben erst gefrieren müssen, bevor ein besonderer Geschmack entsteht. Doch François Morissette, jener Kanadier in London, hatte keine Eisweine dabei, sondern Riesling, Chardonnay und Cabernet Franc. Diese drei Weine waren so gut, dass ich am Schluss der Veranstaltung um eine der übrig gebliebenen Flaschen bat.

Ich stellte den kanadischen Cabernet einigen Weinfreunden vor, die ebenfalls überrascht waren, und das positiv. Diesen Effekt erreiche ich bis heute, wenn ich kanadische Weine blind verkosten lasse. Das ist auch nicht verwunderlich; denn mit der geografischen Lage des Weinguts Pearl-Morissette verbindet man zwar die großen Seen, die Niagara-Fälle und Temperaturen von bis zu minus 20 Grad, aber eher keinen außergewöhnlichen Wein.

Weshalb Weinbau am Niagara in Ontario trotzdem funktioniert, liegt am ausgleichenden Klima des Erie- und des Ontario-Sees. Zusammen mit kalkigen Böden bietet es eine hervorragende Grundlage für Weinbau mit langen Reifezeiten, niedrigen Alkoholwerten und brillanter Säure. François Morissette hat das früh erkannt. Er ist acht Jahre lang im Burgund bei den Großen der Zunft in die Lehre gegangen und verbindet dieses Wissen nun mit den einzigartigen Voraussetzungen am Ontario-See.

Zusammen mit einigen wenigen anderen, etwa mit Keith Tyers vom Weingut Closson Chase, verkörpert er in dieser Region die Zukunft des Weinbaus; denn wenn in Gebieten wie Kalifornien aufgrund von Hitze und Wassermangel kein Weinbau mehr möglich sein wird, wird Ontario immer noch weitgehend eine Cool-Climate-Region sein.

Bis dahin müssen die Weingüter allerdings immer wieder Jahre wie 2016 überstehen, wo die Spätfröste ihnen bis zu 90 Prozent der Ernte genommen haben. Doch auch die restlichen zehn Prozent sind es wert, dass man sie kennenlernt.

Pearl-Morissette gibt es bei weinamlimit.de, Closson Chase bei wineandwaters.de

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