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: „Julian Schnabel – Ein privates Porträt“

Ein sonniger Tag am Strand. Ein alter Mann herzt ein Kleinkind. Wir sind auf einer der Galli-Inseln vor der italienischen Amalfiküste und beobachten den Künstler Julian Schnabel, wie er mit seinem 2013 geborenen Sohn spielt. Später steht der Mann mit dem mächtigen Körper auf dem hoch gemauerten Turm, der zum Anwesen gehört, und hechtet mit einem Kopfsprung ins Meer. Uns bleibt in dem Moment, in dem die Kamera mit Schnabel kurz in die Tiefe schaut, der Atem weg. Denn so aus 10, wenn nicht 20 oder mehr Höhenmetern ins Wasser zu springen, das ist nicht jedermanns Sache. Aber die Julian Schnabels. Und dieser Mut charakterisiert ihn als Menschen wie als Künstler.

Leider bleibt diese cinematografisch großartige, ohne jeden Ton, rein visuell so sprechende Eingangssequenz ein leeres Versprechen. Denn schon finden wir uns in der Mühle der Talking Celebrities wieder, die alle über den Vater, den Freund, den Ehemann, den Künstler, den Talentförderer und den Filmemacher Julian Schnabel etwas schrecklich Kluges, in jedem Fall aber viel zu Schmeichelhaftes zu sagen haben.

Sichtlich kommt Pappi Corsicatos privates Porträt des Künstlers über Marketing nicht hinaus. Nachzuhaken, was Schnabels Kunst auszeichnet, ist nicht sein Ehrgeiz. Ihm genügt harmlose Unterhaltsamkeit. Da gilt dann ein Studiobesuch des fast 90-jährigen Picasso-Biografen John Richardson bei Schnabel gleich als Fackelübergabe.

Zuvor haben wir – gestützt durch alte Familienfotos und -filme – schon erfahren, dass Schnabels schwierige Brooklyner Geburt ihn quasi zum Künstler bestimmt. Ebenso seine anfängliche Einsamkeit als Jugendlicher in Brownsville, Texas, bevor er zu surfen begann, Acid einwarf, Kunst machte und, wieder zurück in New York, sein Geld als Koch eines Restaurants verdiente. Die naheliegende Frage, ob die zerbrochenen Teller als Signatur daherkommen, wird nicht gestellt. Damals freundete sich Schnabel etwa mit Jean-Michel Basquiat an. Ihm fühlte er sich verpflichtet, sein wahrhaftes Biopic zu verfilmen. Anders als bei Pappi Corsicato war dann ein ideenreicher und unkonventioneller Filmemacher zu entdecken, der auch mit weiteren Filmen überzeugte.

Brigitte Werneburg

„Julian Schnabel – Ein privates Porträt“. Regie: Pappi Corsicato. Mit Julian Schnabel, Laurie Anderson, Emmanuelle Seigner u. a. Italien 2017, 85 Min.