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Archiv-Artikel

„Es fehlen Prinzipien“

Den CSU-Rechtsaußen Peter Gauweiler langweilt es, dass sich linke und rechte Positionen kaum noch unterscheiden

taz: Herr Gauweiler, erklären Sie als Rechter, was links ist!

Peter Gauweiler: Links definiert sich doch nur in Abgrenzung zu rechts. Das ist wie mit linker und rechter Hand. Die rechte Hand ist die Praktikerhand, die linke Hand ist zum Gegensteuern.

Das heißt, die Rechte hat die Macht, die Linke opponiert?

Nicht unbedingt. Rechts steht für Ordnung, Distanz und Differenz, links für Harmonisierung, Einebnung, Unterschiedslosigkeit.

Interessant. Dann wäre Coca-Cola die linkeste Limonade der Welt und Attac die europäische Jugendorganisation der CDU?

Attac vertritt, was globale Differenzierung angeht, insofern einen rechten Politikansatz. Und in der Tat gehört Coca-Cola zum amerikanischen Ideal von Einheitsessen, -kleidung und -aussehen. Daran hätte der Vorsitzende Mao seine Freude gehabt.

Sie sind heute so sanft. Hauen sie doch mal richtig auf die Linken drauf!

Wieso denn? Rechts gibt’s nicht ohne links. Thomas Mann sagt: Wenn das Boot links kippt, setze ich mich nach rechts – und umgekehrt.

Klingt nach Ying und Yang …

… so ist es ja auch! Da hat der liebe Gott sich schon was bei gedacht.

Sie hassen also die Linke gar nicht? Nicht mal Gysi und die Linkspartei?

Ich hasse mein Übergewicht. Die Linkspartei ist mir suspekt, aber nicht weil sie links ist, sondern weil sie die Nachfolgerin einer Partei ist, für die es keine Nachfolge hätte geben dürfen. Ansonsten kenne ich das Personal – mit Ausnahme von Lafontaine, den ich schätze – zu wenig, um mich dazu zu äußern.

Schon wieder so versöhnlich. Langweilt es Sie nicht, dass sich links und rechts heute kaum unterscheiden?

Doch, mit der Neuen Mitte ist die weltanschauliche Debatte verflacht. Das schadet allen, weil Entscheidungen These und Antithese voraussetzen. Es fehlt in der Politik an Prinzipien.

Warum fehlt das?

Zum Beispiel wegen des allgegenwärtige Begriffbreis. Vieles wird in einer Art Neusprech vermischt. Oftmals sind die Begriffe links – und was dahintersteht, ist rechts. Denken wir nur an die als „Friedensmission“ getarnte Bombardierung von Belgrad ohne Kriegserklärung unter Rot-Grün. Umgekehrt gibt es das Phänomen auch, das hat mit den Veränderungen nach 89 zu tun.

Sie trauern diesen Zeiten, als es noch richtige Lager gab, also doch nach?

Die Linke trauert ihr eher nach, weil sie ihre ideologischen Erlösungmodelle verloren hat. Rechte glauben nicht an Erlösung im Diesseits, Linke schon. Deshalb waren sie so enttäuscht, dass sich der Traum vom Sozialismus als Albtraum erwiesen hat.

Sie sprechen mit der Milde des Siegers. Hat die Rechte denn gewonnen?

Ach, Quatsch. Ordnung, Differenz und Distanz haben seitdem viele Niederlagen erlitten. Die Rechten trauen sich ja nicht mal mehr, sich rechts zu nennen.

Wie denn dann?

Vermutlich auch Neue Mitte. Oder irgendwas Unverbindliches. Rufen Sie mal zehn CDU-Politiker an und fragen, wer sich als rechts bezeichnen würde. Wenn Sie mehr als zwei finden, spendiere ich Ihnen einen Döner oder was Sie als Linker so essen. So, ich muss jetzt das Handy ausmachen, ich gehe in die Kirche.

INTERVIEW: DANIEL SCHULZ