Tim Caspar Boehme hört auf den Sound der Stadt:
Trigger Warnung gleich zum Anfang der Woche, äh nein, der Kolumne: Wer sich eventuell – was ja denkbar ist – von Klaviermusik in seinem oder ihrem antibürgerlichen Empfinden verletzt fühlen könnte, sollte diese Zeilen besser nicht weiterlesen. Diesmal geht es nämlich einzig und allein um Darbietungen mit einem oder maximal zwei dieser Tasteninstrumente. Weitere Verschärfung: Berücksichtigt wurden ausschließlich Konzerte mit komponierten Tönen, will sagen Klassik und Neue Musik. Das gibt der Berliner Musikbetrieb mitunter locker her, und selbst in dieser scheinbaren Homogenität findet sich einiges an Vielfalt. So liefert das auf Neue Musik spezialisierte GrauSchumacher Piano Duo am Donnerstag im Programm des gerade angelaufenen Festivals Ultraschall Berlin seiner Besetzung gemäß Werke für zwei Klaviere, darunter zwei Kompositionen von Brigitta Muntendorf und die beiden einzigen Stücke für zwei Klaviere des großen Modernisten Bernd Alois Zimmermann (Karl-Marx-Str. 141, 19 Uhr, 15/10 €).
Klassischer, wenn auch nur ein wenig, geht es parallel dazu im Kammermusiksaal der Philharmonie zu. Dort ist der Pianist Igor Levit zu erleben, was in diesem Fall schon mehr als eine Floskel ist. Levit gehört in seiner Generation – Anfang 30 – zu den herzfrequenzsteigerndsten Interpreten dieser Tage. Pardon für die Blumigkeit, doch er kann Musik tatsächlich atmen und bedeutungsvoll wie eine echte Sprache erscheinen lassen. Am Donnerstag nimmt er sich die „24 Präludien und Fugen“ des tragischen russischen Modernisten Dmitri Schostakowitsch vor, die zu erwartenden Ergebnisse rechtfertigen in diesem Fall durchaus den gehobenen Eintrittspreis (Herbert-von-Karajan-Str. 1, 20 Uhr, 42,48–60,18 €).
Und dass selbst das bürgerliche Tastenspiel zum politischen Symbol werden kann, demonstrierte der palästinensisch-syrische Pianist Aeham Ahmad mit seinen Auftritten im syrischen Flüchtlingslager Jarmuk, durch die er als „Pianist in den Trümmern“ bekannt wurde. Ahmad, der inzwischen als Flüchtling in Wiesbaden lebt, tritt am Freitag in einem Porträtkonzert in der Freien Waldorfschule Kreuzberg auf (Ritterstr. 78, 19.30 Uhr, Eintritt frei, Spende erbeten).
Auch die Musik entlegenerer Länder kann man dank des Pianoforte kennenlernen. Am Montag präsentiert die südkoreanische Pianistin Yejin Gil im Konzerthaus die Klavieretüden ihrer Landsfrau und Zeitgenossin Unsuk Chin. Wobei der Vollständigkeit halber erwähnt werden sollte, dass die Komponistin heute in Berlin wohnt (Gendarmenmarkt, 20 Uhr, 15 €).
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