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Mit viel Glitzer zum Sieg

Bremen ist bekannt für seine erfolgreichen Tanzpaare – auch im Lateintanz. Julia Schanz trainiert Kinder und Jugendliche und bereitet sie auf den Leistungssport vor

Von Milena Pieper

Musik tönt aus den Lautsprechern. Mit ausgestreckten Armen und Körperspannung bis in die Fingerspitzen tanzen die 17 Jungen und Mädchen den zackigen Jive-Schritt, drehen sich nach links und rechts, schwingen die Hüften im Takt. Julia Schanz läuft durch die Reihen und korrigiert die Kinder und Jugendlichen. Die Lateintanz-Trainerin unterrichtet in Bremen hier im Tanzcentrum Gold und Silber im Stadtteil Walle und beim Turn- und Sportverein Huchting. Schanz hat einen harten Ton drauf, betont immer wieder, dass es um Erfolge gehe.

Ihre Schützlinge tanzen regelmäßig auf Turnieren. Herausgeputzt sind sie schon beim Training: Die Jungen tragen weite schwarze Stoffhosen, die Mädchen Faltenröcke oder Kleider. Die Riemen ihrer hohen Schuhe glitzern silbern oder golden. Die Tänzerinnen und Tänzer sind höchstens 16 Jahre alt. Die Jüngste ist gerade acht. Es ist Julia Schanz’Tochter, die ganz vorne mittanzt. Beim Training wird auch sie nicht verschont und muss Liegestütze machen.

„Das ist kein Breitensport. Man muss sportlich sein und ihr seid nicht sportlich!“, ruft Schanz. Sie erklärt viel, beantwortet Fragen und zeigt einzelne Schritte. Für die Kinder sei es schnell ganz normal, mit einem Partner zu tanzen. Viele fangen schon früh an und wachsen mit ihrem Tanzpartner auf. „Nur für die zwölf- oder 13-jährigen Jungs ist das manchmal etwas schwierig, die Mädchen an der Hand zu fassen“, sagt sie.

Neben Jive gehören Samba, Cha Cha, Rumba und Paso Doble zum Lateintanz. Die Tanzpaare werden in Altersgruppen und Leistungsklassen von D bis A eingeteilt. Dennis und Karolina treten bundesweit bei Turnieren an. Dennis tanzt seit sechs Jahren, Karolina seit sieben. Karolina gefällt besonders, dass sie ihre Gefühle in den Tänzen ausdrücken kann. „Rumba zum Beispiel ist der Tanz der Liebe“, sagt sie. „Für die Jüngeren geht es dann eher um Freundschaft.“

Zu den gefühlvollen Tänzen gehört harte Arbeit. „Manchmal müssen wir für die Turniere um zwei Uhr aufstehen“, sagt Karolina. Bis die Haare gemacht sind und das Make-Up sitzt, dauert es. „Ich find das schön“, sagt sie. „Das gehört schon so zu uns.“ Zuhause im Schrank hängen zwei Kleider die sie bei den Wettkämpfen anzieht.

Für das Schminken und die Kleidung gibt es in den jeweiligen Altersklassen feste Vorschriften, die vom Deutschen Tanzsportverband festgelegt sind. Sie sollen die Kinder schützen, erklärt Julia Schanz. „Sie sollen ja Kinder bleiben“, sagt sie. Schanz weiß, dass es immer wieder Leute gibt, die sich über zu viel Schminke oder Haarlack im Tanzsport aufregen. „Aber das gehört zum Tanzen dazu“, sagt sie. Das richtige Outfit und das Make-Up führten zu mehr Disziplin. Die Regelungen findet Schanz trotzdem gut. Das Äußere solle nicht vom Tanzen ablenken und die Jury blenden.

Schminke und Strasssteine sind erst ab 14 Jahren erlaubt. Die Älteren tragen Kleider mit Swarovskis. Schanz zeigt ein Foto von Dennis und Karolina. Sein Oberteil hat einen weiten Ausschnitt und ist mit Glitzersteinen besetzt. Ihr Kleid hat ein Leopardenmuster und ist mit grünem Tüll verziert. Karolinas Augen sind dunkel umrandet. Auch die älteren Jungs tragen bei den Turnieren Make-Up und werden gebräunt. „Sie sollen ein bisschen aussehen wie Lateinamerikaner“, sagt Schanz.

„Das ist kein Breitensport. Man muss sportlich sein und ihr seid nicht sportlich!“

Julia Schanz, Lateintanz-Trainerin

Auch Schuhe mit Absätzen gehören für die Jungen dazu. „Mit solchen Schuhen ist es echt einfacher“, sagt Alex. Genau wie sein Tanzkollege Dennis ist Alex durch eine Freundin zum Paartanz gekommen. „In der Schule machen die anderen einen erst mal runter, wenn man das mit dem Tanzen erzählt“, sagt er. „Aber wenn sie es dann sehen, sind die auch wieder leise.“

Die ersten drei Jahre hat er nebenbei noch Handball gespielt und sich dann ganz für den Paartanz entschieden. „Wir haben dreimal in der Woche Gruppentraining und meistens noch Privatstunden“, sagt er.

Der Turniersport ist nicht nur zeitaufwändig, sondern auch teuer. Am teuersten sind die mit Swarovskis besetzten Kleider. Bis zu 5.000 Steinchen passen auf ein Kleid. „Und schon 1.400 kosten 100 Euro“, sagt Schanz.

Julia Schanz kommt ursprünglich aus Russland und fast alle ihre Schützlinge haben ebenfalls einen russischen Hintergrund. Am Kinder- und Jugendtraining gefällt ihr, ein Ziel vor Augen zu haben und Fortschritte zu sehen. „Fußball kann fast jeder spielen, tanzen nicht“, sagt sie. Schanz findet es wichtig, dass die Eltern hinter ihren Kindern stehen. Nach dem Training warten auch viele Eltern schon vor dem Saal. „Am Anfang müssen die Eltern sich manchmal erst durchsetzen“, sagt Schanz. Deutsche Eltern täten das leider häufig nicht. Aber Schanz ist überzeugt: Wenn die Kinder auf einem Turnier getanzt haben, dann können sie nicht mehr anders. „Das ist wie eine Sucht.“

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