: Ver.di verliert ärztlichen Beistand
Der Marburger Bund, Vertretung der Klinikärzte, kündigt Tarifgemeinschaft auf. Donnerstag wird allein verhandelt
BERLIN taz ■ Die Klinikärzte wollen künftig für sich alleine kämpfen. Der Marburger Bund (MB), die Interessenvertretung der insgesamt 146.000 angestellten und verbeamteten Krankenhausmediziner, hat am Samstag die Tarifgemeinschaft mit der Gewerkschaft Ver.di gekündigt. Das bestätigte Günther Jonitz, Vorstandsmitglied des Berliner MB-Landesverbands und Präsident der Berliner Ärztekammer.
Bereits am 15. September will der MB mit der Tarifgemeinschaft der deutschen Länder in Stuttgart über einen Tarifvertrag für die Ärzte an den Universitätskliniken verhandeln. „Das geht ohne Ver.di besser“, sagte Jonitz der taz. Denn die Dienstleistungsgewerkschaft habe die Interessen der Ärzte ausgesprochen schlecht vertreten. Bei Ver.di-Verhandlungen werde „unten das ganze Geld verteilt“ – und das gehe zu Lasten der Ärzte. Nach einem Bericht des Spiegel sind die Länderfinanzminister im Streit mit den Klinikärzten zu Zugeständnissen bereit.
Anlass für den Bruch mit der Gewerkschaft waren die jüngsten Verhandlungen mit der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeber, die kurz vor dem Abschluss stehen. Nach Angaben des MB-Vorsitzenden Frank Ulrich Montgomery hätten die Arbeitgeber ein Angebot gemacht, wonach ein 28-jähriger verheirateter Arzt über zehn Jahre eine Einkommenseinbuße von fünf Prozent zu verkraften gehabt hätte. „Der MB hat das abgelehnt“, sagte Montgomery dem Tagesspiegel. Ver.di hingegen habe ein noch schlechteres Angebot akzeptiert.
In einer eigens einberufenen Hauptversammlung widerrief daraufhin der MB am Samstag die seit vier Jahrzehnten bestehende Kooperation. Ursprünglich hatte er gemeinsam mit der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft (DAG) verhandelt, die dann in Ver.di aufging. Vorbild für die Klinikärzte ist die Pilotengewerkschaft Cockpit. Auch sie hat sich von Ver.di abgespalten und verhandelt seitdem selbstständig als Berufsverband.
Ver.di wies gestern die Vorwürfe des MB als „nicht nachvollziehbar“ zurück. In den Verhandlungen mit dem Bund und den Kommunen habe Ver.di auch für die Ärzte „jede Menge rausgeholt“, sagte Gewerkschaftssprecher Harald Reutter. Zudem habe Ver.di eben alle Beschäftigten im Blick. „Es ist nicht unsere Aufgabe, die eine Gruppe gegen die andere zu entsolidarisieren.“
Seit Monaten protestieren Klinikärzte, besonders aus den Universitätskrankenhäusern, bundesweit gegen eine Verschlechterung ihrer Arbeitsbedingungen. Im vergangenen Jahr hatten die Länder die Tarifverträge einseitig aufgekündigt. Seitdem müssen viele Ärzte eine Erhöhung der Wochenarbeitszeit und Lohneinbußen hinnehmen.SABINE AM ORDE
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