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Archiv-Artikel

portrait Zweite Chance für Neue-Markt-Erfinder

Er ist wieder da. Der Schweizer Reto Francioni soll neuer Vorstandschef der Deutschen Börse AG werden. Heute entscheidet der Personalausschuss des Aufsichtsrats über den Personalvorschlag. Als offizieller Verkündungstermin ist der 10. Oktober angepeilt.

Die Berufung wäre ein interessantes Wechselspiel: Schließlich würde Francioni damit den ebenfalls in der Schweiz gebürtigen Werner Seifert beerben, der im Mai von seinen Großaktionären geschasst worden war. Und der ist Francionis Ex-Chef. Von 1993 bis 2000 arbeiteten beide gemeinsam im Vorstand der Deutschen Börse, im letzten Jahr war Francioni sogar Seiferts Stellvertreter.

Nach einem grundsätzlichen Streit über die Unternehmensstrategie schied er dann jedoch aus und landete nach einem kurzen Zwischenspiel beim Direkt-Broker Consors bei der Schweizer Börse, wo der nun 50-Jährige seit drei Jahren unangefochten als Präsident amtiert – und Seifert zuletzt böse auflaufen ließ: Er lehnte ein Übernahmeangebot seines früheren Unternehmens ab und trieb den Ex-Chef damit in den Kampf um die Londoner Börse, in dessen Verlauf er das Vertrauen der Großaktionäre und seinen Job verlor.

Dabei gilt Francioni eigentlich gar nicht als nachtragend, sondern als diplomatisch und überlegt. Jedenfalls als diplomatischer und überlegter als Seifert. So manches Mal soll er nach einem von dessen berüchtigten Ausbrüche wieder für Ruhe und Motivation gesorgt haben. Dabei dürfte er durchaus genug eigene Probleme gehabt haben: Er gilt als einer der Gründer des Neuen Marktes – und übernahm auch die Verantwortung für dessen grandiosen Absturz. Die Idee, zum damaligen Zeitpunkt ein solches Marktsegment eingerichtet zu haben, findet er übrigens immer noch richtig.

In der Branche billigt man ihm dies zu. Seine Kompetenz, die Deutsche Börse führen zu können, ist unumstritten. Der Hedgefonds TCI, der als Großaktionär für Seiferts Abgang verantwortlich war, will ihn auf diesem Posten sehen. Ebenso der designierte neue Aufsichtsratschef Kurt Viermetz. Sogar die kritischen Aktionäre können dem Vorschlag etwas abgewinnen.

Jetzt gibt es nur noch zwei Unwägbarkeiten: Offiziell ist der zum Jahresende ausscheidende Deutsche-Börse-Oberkontrolleur Rolf Breuer, der auch dem Personalausschuss vorsitzt, mit der Suche nach dem neuen Vorstandschef beauftragt. Der Breuer, der Seifert einst tatkräftig half, Francioni loszuwerden. Und dann ist da noch Francioni selbst: Bislang hat er noch nicht erkennen lassen, ob er tatsächlich gewillt ist, die Schweizer Berge gegen die Frankfurter Hochhäuser einzutauschen. BEATE WILLMS