piwik no script img

Jan-Paul Koopmann Popmusik und EigensinnÜber Sex kann man nur auf Gälisch singen

Es ist schon klar, warum Sie diese Mittelaltermusikanten verachten: Kleinkunsteinlagen, die immergleichen Traditionals, aufgesetzte Pseudoderbheit und reaktionäres Gebaren unter dem Feigenblatt beknackter Authentizitätsspielchen. Und obwohl Subway to Sally (fast) nichts davon machen, sind sie heute doch sowas wie die Könige des Betriebs. Wenn sie dann Jahr für Jahr befreundete Bands zu ihrem „Eisheilige Nacht“-Festival einladen, dann sind sie wohl auch nicht ganz unschuldig an dem Spektakulum.

Aber nochmal: Subway kommen nicht vom Mittelaltermarkt, sondern aus durchaus handfestem Folk (früher mal Englisch, mal Gälisch) mit Gegenwartsthemen. In Form bringen die Musik die Banddichter Bodenski und Frontmann Eric Fish mit nachdrücklich überbetonender Stimme.

Die Bildwelten muss man sich erst mal trauen: „Als wir im Tümpel lagen / im fauligen Morast / brach über uns die Nacht herein /Dunkle Gestalten krochen / auf unser Lager zu / und stimmten in das Lied der Liebe ein.“ Sie merken schon, es geht um Sex. Hier auch: „Meister, Meister gib mir Rosen / Rosen auf mein weißes Kleid“ und die Musik dann mit Krawumm. Auf Eric Fishs Kommando („Und der Schrei“) brüllt sich das Publikum die Seele aus dem Leib und lässt es fließen. Eigentlich geht es immer um Sex. Nicht im freudianisch sublimierten Sinn, sondern nur knapp unterhalb des Wortwörtlichen: Triefnass und geschwollen mit Lust, Blut, Entjungferung, Mord und Hass.

„Über Sex kann man nur auf Englisch singen“, haben wir von Tocotronic gelernt. Subway beweist: Es geht auch in schwülstigen Metaphern. Und das ohne auch nur einen Handbreit Ironie, Witz oder gar Spaß. Es ist erstaunlich, wie sexbesessen und spaßbefreit zugleich so eine Musik sein kann. Wirklich: Mir fallen mehr Menschen ein, die während einer Aufführung unseres windschiefen Schulorchesters miteinander geschlafen haben (2), als beim Hören einer Subway-CD (0).

Subway to Sallys „Eisheilige Nacht“: 29. 12., ab 18 Uhr, Pier 2

Aber nur weil es heute als unsexy gilt, Sex ernst zu nehmen, muss es ja nicht falsch sein. Subway macht Grübler aus seinen Fans und hoffnungslose Romantiker, die wenigstens auf diesen Konzerten mal wie angestochen im Kreis springen. Man kann das alles bescheuert finden, muss man vielleicht sogar, aber zu verachten gibt es da wirklich rein gar nichts.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen