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Schrecklich schönes Weihnachtsessen

Was an den Festtagen aufgetischt wird, hat es in sich: Es muss der Tradition genügen und die individuellen Grenzen respektieren. Zuweilen entsteht gerade daraus Harmonie

Tapferkeit vor der Ente

Seit ich denken kann, gibt es bei uns zu Weihnachten Ente. Mein Job dabei ist es, die Ente beim Schlachter zu bestellen und an Heiligabend dort abzuholen. Damit endet meine Zuständigkeit, denn den Rest macht meine Mutter.

Der Gedanke, in das tote Tier hinein zu fassen, um es von innen zu salzen und mit Äpfeln zu füllen, erfüllt mich mit Ekel. Meine Mutter hingegen wühlt freudig noch in dem Tier befindliche Organe hervor und brät Herz und Gurgel mit. Wenn man zur falschen Zeit in die Küche kommt, kann es daher passieren, dass sie sich gerade mit Messer und Gabel über Herz und Gurgel hermacht – ein traumatisierender Anblick, den ich zwar seit meiner Kindheit gewöhnt bin, der mich aber dennoch jedes Mal aufs Neue verstört.

Mein nächster Einsatz kommt erst wieder, wenn die Ente gewendet werden muss. Da meine Mutter recht klein ist und der Bräter tief, hat sie nicht die richtige Hebelwirkung. Also stehen mein Mann und ich mit Bratenwendern und Löffeln bewaffnet um den Bräter herum und versuchen, unter ihrem Oberkommando das komplizierte Wendemanöver durchzuführen. Dabei gilt es zu vermeiden, dass die Ente zurück in die Soße klatscht und alles an die Decke spritzt.

Es ist jedes Mal ein Nervenkrieg, aber die Belohnung ist nach drei Stunden außen knusprig und innen zart und reicht auch noch für den ersten Weihnachtstag. Katharina Meyer-Schilf

Karamellisierte Kartoffeln

Kontraste bringen immer viel, wie mein Vater, Gastronom und leidenschaftlicher Koch, mir bereits früh erzählte. Salzig und scharf, süß und sauer, aber auch süß und deftig – eine leichte konträre Note macht leckere Speisen erst richtig gut.

Und dann gibt es da noch den Kontrast-Vorschlaghammer: Die karamellisierte Bratkartoffel nach Holsteiner Art, serviert zum deftigsten aller Gerichte: Grünkohl – ohne Graupen und Pinkel! – aber mit Schweinebacke, Kasseler und Kohlwurst.

Mir als Vegetarier war das Fleisch schon immer egal. Aber wenn es bei uns zu Weihnachten Grünkohl gab, freute ich mich immer. Und das liegt hauptsächlich an den im Schweineschmalz angebratenen, mit einer Prise Salz und viel Zucker karamellisierten Bratkartoffeln. Am besten schmeckten die kleinen Drillinge in Spalten geschnitten: Sie haben mehr Auflagefläche für den Zucker.

Wenn spätestens Heiligabend, kurz bevor die Bratkartoffeln fertig sind, der Zucker in die Pfanne kommt und die gut angebratenen Bratkartoffeln zum glänzen bringt, sollte man das Konzept Hosenknopf neu denken. Gareth Joswig

Hassgeliebter Kartoffelsalat

Im Nachhinein weiß ich gar nicht mehr genau, wie es dazu kam. Aber irgendwann muss sich in mir eine Kehrtwendung vollzogen haben, was das weihnachtliche Essen betrifft. Denn eigentlich schmeckte er mir noch nie, der heiligabends daheim servierte Kartoffelsalat. Zu trocken die Kartoffeln, zu scharf die Zwiebeln, erträglich nur die Würstchen. Aber so war es eben, und da es nicht direkt eklig war, aß ich jahrzehntelang mürrisch mit.

Bis meine Mutter verkündete, die Teilnahme am Heiligabend-Mahl sei nicht mehr obligatorisch. Da hätte ich ja nun froh und munter sein können, aber was geschah? Ob aus Trotz oder jäh erwachter Solidarität – jedenfalls nehme ich seither mit sturer Regelmäßigkeit am Kartoffelsalat-Essen teil, fordere es sogar vehement ein.

Denn erstens ist es das Leibgericht meiner Mutter, und das nehme ich ihr nicht weg. Zweitens fühlt sich ein Heiligabend ohne Kartoffelsalat falsch an. Und drittens wird mir dessen Köstlichkeit stets neu bewusst, wenn mir ein befreundeter Kartoffelsalat-Fan erzählt, wie gut ich es habe. In seiner Familie gibt es Heiligabend seit Jahren rohen Fisch. Petra Schellen

Kompromiss mit Käse

An Heiligabend, wenn die Kerzen am Tannenbaum brennen und langsam der Magen knurrt, kommt meine Familie am festlich gedeckten Tisch zusammen und isst – einen Kompromiss. Mit Käse überbacken schmeckt der recht gut. Eine Ente à l‘orange, eine Gans mit Rotkohl und Klößen oder selbst ein Blaukarpfen wären bei uns eine weihnachtliche Kriegserklärung.

Meine Familie trennt sich in zwei Lager: meinen Bruder und mich, die schon seit Jahren Vegetarier sind – und meine Eltern, die ein gutes Stück Fleisch zu schätzen wissen. Die Zeiten, in denen mein Vater Schinkenwürfel über sein vegetarisches Essen gestreut hat, sind zwar vorbei, aber mit einem Tofu-Irgendwas sollte man ihm trotzdem nicht kommen.

Deshalb brutzelt an Heiligabend jeder sein eigenes Pfännchen. Aber auch beim Raclette gibt es Gesetze und auf dem heißen Stein eine scharfe Grenze, die unter allen Umständen beachtet wird: Links brutzelt Papa Würstchen, Schweinefilets und Speckstreifen. Rechts ist die Gemüsefraktion mit Pilzen und Paprika am Start.

Streit gab es beim Essen noch nie – der Knatsch kommt erst danach. Dann nämlich, wenn wir Kinder kugelrund gefuttert, viel zu fertig sind, um beim Aufräumen zu helfen. Noch so ein Ritual. Andrea Scharpen

Florentiner Fehmaraner Art

Schokolade ist vollkommen überschätzt. Sie schmiert, schmilzt, verfärbt. Besonders im überhitzten Wohnzimmer braucht kein Mensch Florentiner mit einem Schokoboden auf dem Keksteller. Deswegen dachten sich die Fehmaraner, dass Florentiner ohne Schokoboden sein müssen. Auch wenn die dank eines traumhaften Zuckermarzipan-Überzuges glänzenden Mandelplättchen immer noch etwas klebrig sind, bleiben sie die besten Florentiner der Welt. Und müssen dafür nicht mal aus Florenz sein. Gareth Joswig

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