: Einhörner gehen immer
Wer ein Notfallgehirn, eine aufziehbare Oma oder den Kim-Jong-Un-Radiergummi sucht, ist hier richtig: bei „Lindli“, Hamburgs „Laden für Geschenke und Scherzartikel“
Von Anna Gröhn
Kleine grelle Lämpchen erhellen den langen Raum, von der Decke hängen Mobiles mit silbernen Steinen und bunte Christbaumkugeln. Ein kleines Mädchen steht an einem der vielen Holzregale, in der Hand ein pinkfarbenes Kästchen, das zwei Glupschaugen zieren. „Was ist das denn?“, fragt sie ihre Mutter mit großen Augen. „Das sind Wackelaugen“, antwortet die. „Und was kann man mit denen machen?“ Die Mutter zuckt mit den Schultern.
Bei „Lindli“ gibt es alles, was die Welt nicht braucht. So lautet der Slogan des Ladens in Hamburg-Ottensen. Denn hier gibt es Antworten auf die Frage: Was schenkt man jemandem, der schon alles hat? Ein Notfallgehirn aus Schokolade zum Beispiel. Oder eine aufblasbare Gitarre. Wahlweise auch ein Diktator-Radiergummi: Kim Jong Un in Miniaturform und knallrot. „Mit dem kann man alles wegradieren, was einem nicht gefällt“, sagt Inhaber Michael Lohmann und lacht. Seit den 1990er-Jahren verkauft der 55-Jährige hier kuriose Geschenk- und Scherzartikel.
Ursprünglich gehörte Lindli seiner guten Freundin Linda, der Namensgeberin des Ladens, die immer noch regelmäßig aushilft. Anfangs gab es vor allem Dekoration zu kaufen, Kerzen oder Bilderrahmen. Das war 1991. Lohmann studierte Soziologie, nebenbei arbeitete er hier; acht Jahre später übernahm er den Laden. Seitdem ist er täglich hier. „Manchmal bin ich natürlich nicht hier, da mache ich Bürosachen und so was“, sagt er.
Mittlerweile gibt es bei Lindli vor allem Spaßartikel zu kaufen. Das habe sich mit den Jahren so entwickelt. „Ich habe eine tiefe Begeisterung für spielerische Sachen, und die fällt hier natürlich auf fruchtbaren Boden“, sagt Michael Lohmann. Jeden der rund 800 Artikel im Sortiment habe er selbst ausgesucht und ausprobiert. Oft bestelle er einfach lustige Sachen, die er in Katalogen oder auf Internetseiten finde. „Ich kaufe die aus Neugierde. Das ist sehr spannend für mich“, sagt er. „Manchmal ist es nämlich nicht so, wie ich es mir vorstelle.“
Die Ware kommt meist aus China
Oft kämen aber auch Händler vorbei und stellten ihre Produkte vor. Besonders originelle nehme er dann ins Sortiment auf. Die meisten Händler hätten ihren Sitz in Deutschland, auch einige Produkte würden hier hergestellt. Vorwiegend sei die Ware jedoch in China produziert. Was in den Laden komme, entscheide aber nicht zuletzt die Kundschaft. Michael Lohmann redet viel mit seinen Kunden. So erfährt er, was aktuell gefragt ist.
Eine ältere Frau geht zur Kasse und legt eine Maultrommel auf die Theke. „Schön, dass man dieses traditionelle Instrument noch bekommt“, sagt sie und lächelt. „Die kenne ich noch aus meiner Kindheit“, entgegnet Lohmann. Dann wickelt er die Maultrommel sorgfältig in Packpapier. Währenddessen schaut sich die Dame weiter im Laden um, in einem der hinteren Regale entdeckt sie den „Anti-Stress-Trump“: „Wenn du Stress hast, box mich“ steht auf dem marineblauen Anzug des US-Präsidenten aus Plüsch. Mit einer flotten Handbewegung folgt die Dame der Anweisung. Prompt stößt der Plüsch-Trump einen schrillen Schrei aus.
Scherzartikel mit Staatsoberhäuptern kämen besonders gut an, erzählt Lohmann. „Das Tyrannen-Quartett zum Beispiel verkaufe ich schon seit gefühlt zehn Jahren, und das läuft nach wie vor.“ Genauso wie die aufziehbaren Omas, mit denen man Rollator-Rennen spielen kann. „Das ist zwar ein bisschen makaber, die sind aber sehr beliebt.“
Dann zeigt Lohmann auf eine Duschhaube mit einem bunten Horn vorne drauf und sagt: „Einhörner gehen auch immer.“ Anderes – wie die kleinen Roboterkäfer – komme weniger gut an. „Dabei sind die gar nicht so schlecht“, sagt er. Eine Zeitlang habe er die viel verkauft, das Interesse der Kunden habe vor rund drei Jahren aber abrupt nachgelassen. „Da habe ich gedacht, ich befeuere das jetzt wieder ein bisschen“, sagt Michael Lohmann. Vor Kurzem hat er eine ganze Charge Roboterkäfer bestellt.
Lohmann selbst hat eine Vorliebe für die sogenannten „Labertiere“, die alles wiederholen, was man spricht. „Das finde ich ganz schön lustig“, sagt er und lacht. Flugs gackert ihm eines der „Labertiere“ – Modell Schaf – nach. Das ist natürlich nicht jedermanns Humor. „Es gibt Leute, die kommen hier rein und drehen sich gleich wieder um“, erzählt Michael Lohmann. „Aber meistens sind die Leute ganz nett und gut drauf.“ Viele hielten sich lange im Laden auf, manchmal bis zu einer Stunde „Die verlieren sich hier richtig.“ Andere wiederum seien von der großen Auswahl abgeschreckt.
Anfangs ein Stadtteilladen
Früher sei kaum jemand nach Altona oder Ottensen gekommen, und Lindli war eher ein Stadtteilladen. Nun kämen immer mehr Touristen und Leute aus anderen Vierteln. „Altona und Ottensen sind jetzt beliebt geworden“, sagt Michael Lohmann. Zunehmend eröffneten neue Geschäfte wie der „Mein Schnäppchen Markt“ gegenüber oder der Ein-Euro-Shop nebenan. Da muss Lohmann mithalten. „Ich versuche momentan, das Spieleangebot zu erweitern“, sagt er. Insgesamt allerdings verkauften sich seine Scherzartikel weniger gut als vor fünf Jahren, „man kann nur mutmaßen, woran das liegt“. In Zukunft möchte Lohmann seine Artikel auch in einem Online-Shop anbieten.
Vor dem Postkartenständer steht jetzt ein Mann, Mitte 40, Schnurrbart und Brille. Er nimmt eine Postkarte nach der anderen in die Hand. Beim Lesen stößt er jedes Mal ein Grunzen aus. „Hier wird viel gelacht“, sagt Michael Lohmann. „Das ist der kostenlose Lachladen“, fügt Linda hinzu. Dann greift sie zu einem weißen Handspiegel, der jeden auslacht, der hineinblickt. Flugs dröhnt grölendes Gelächter durch den Raum.
„Lindli“, Bahrenfelder Straße 129, Hamburg; www.lindli.de
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