Tschernobyl-Bann gebrochen

Finnen legen ersten Grundstein für ein europäisches AKW nach dem GAU vor 19 Jahren

STOCKHOLM taz ■ Ein Kapitel ist zu Ende. An der finnischen Westküste wurde gestern der Grundstein für den ersten Neubau eines europäischen Atommeilers seit der Tschernobyl-Katastrophe vor 19 Jahren gelegt. Der Druckwasserreaktor Olkiluoto 3 ist Finnlands fünfter Atomreaktor. Parallel dazu stellte die britische Consulting-Firma Large and Associates einen Bericht vor, der die Sicherheit der geplanten Konstruktion grundsätzlich anzweifelt. Die Baugenehmigung der finnischen Behörden sei voreilig erteilt worden.

Auch der britische Atomsicherheitsexperte John Large empfiehlt Finnland „eine Denkpause“. Er fordert, die Fertigstellung auszusetzen und sicherzustellen, dass unabhängige Experten die Beurteilung der Sicherheit des AKW überarbeiteten. Die finnische Atomsicherheitsbehörde Stuk habe keine vollständige Sicherheitsexpertise erstellt, weil sie unter dem Druck von Wirtschaft und Politik gestanden habe, binnen einem Jahr über die Baugenehmigung zu entscheiden. Vergleichbare Verfahren dauerten sonst sieben bis acht Jahre. Herausgekommen sei eine insbesondere in der Risikoanalyse mangelhafte Untersuchung. Der projektierte Reaktor ist der Prototyp einer neuen Generation – des European Pressurized Water Reactor (EPR). Zudem seien Teile von Baugenehmigung und Sicherheitsanalyse auf Druck des Baukonsortiums Framatome-Siemens geheim gehalten worden. Damit sei der Sicherheitsstandard von außen nicht überprüfbar.

Die Stuk wies die Vorwürfe zurück. Greenpeace und finnische Anti-Atom-Organisationen stützten sie dagegen. Der Baubeschluss sei regelrecht durchgepeitscht worden, weil die Atomlobby an der schnellstmöglichen Realisierung eines EPR-Prototyps interessiert sei, hieß es. Dafür spreche auch der „völlig unrealistische Sonderpreis“: Der 1.600-Megawatt-Reaktor Olkiluoto 3 soll der Planung nach 3 Milliarden Euro kosten und 2009 in Betrieb gehen. REINHARD WOLFF