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Der Flüchtlingshorror in Afrika: 15.000 neue Vertriebene jeden Tag

„Das Ausmaß ist ohne Beispiel“: Nie stieg die Zahl der Binnenflüchtlinge in afrikanischen Ländern so schnell an wie dieses Jahr, mahnt ein Bericht von Flüchtlingshelfern. Kongo bleibt Spitzenreiter

Binnenvertriebene unter Schutz von Blauhelmsoldaten im UN-Camp von Wau, Südsudan Foto: ap

Von Dominic Johnson

Das Krankenhaus von Batangafo ist voll. 16.000 Menschen haben seit Juli auf dem Gelände der von Ärzte ohne Grenzen (MSF) betriebenen Gesundheitseinrichtung tief in der Zentralafrikanischen Republik Zuflucht vor bewaffneten Gruppen gesucht – in einer Kleinstadt mit 20.000 Einwohnern. Inzwischen kommen nach einer Pause von mehreren Wochen neue Vertriebene an, „mit nichts“, wie MSF am Mittwoch vermeldet: „Sie beschreiben niedergebrannte Dörfer und Leichen, die nicht begraben wurden.“

Das Elend von Batangafo ist ein winziger Ausschnitt aus den Konflikten, die vor allem in der Zentralafrikanischen Republik, in Südsudan, der Demokratischen Republik Kongo, Sudan und Somalia Millionen von Menschen in die Flucht zwingen. Durchschnittlich 15.000 Menschen werden in ganz Afrika jeden Tag vertrieben, rechnet ein neuer Bericht des Internal Displacement Monitoring Centre der Vereinten Nationen und des Norwegischen Flüchtlingsrats (NRC) vor, der am Mittwoch veröffentlicht wurde.

Der Bericht analysiert die Trends des Jahres 2016, weist aber darauf hin, dass diese Trends sich 2017 noch verschärft haben. Im gesamten Jahr 2016 wurden in Afrika 3,9 Millionen Menschen innerhalb ihrer Landesgrenzen vertrieben, rund 70 Prozent davon als Folge bewaffneter Konflikte. Die Gesamtzahl erreichte damit 12,6 Millionen. In der ersten Jahreshälfte 2017 kamen noch mal 2,7 Millionen dazu, 75 Prozent davon aufgrund von Konflikten.

„Hinter den Zahlen stecken zerstörte Leben von Millionen Menschen, die ihre Heimat verlassen haben, um Greueltaten oder Katastrophen zu entkommen“, heißt es. Nicht mitgezählt in diesen Aufzählungen sind Flüchtlinge, die ihr Land verlassen haben. Deren Zahlen sind meist besser dokumentiert als die der Binnenvertriebenen, die erst seit fünf Jahren Thema eines Schutzprotokolls der Afrikanischen Union (AU) sind.

Spitzenreiter, seit nunmehr zwei Jahren: die Demokratische Republik Kongo, wo die Zahl der Binnenflüchtlinge nach UN-Zählungen mittlerweile das Rekordniveau von 4,1 Millionen erreicht hat. „Das Ausmaß von Menschen, die vor Gewalt fliehen, ist ohne Beispiel und liegt vor Syrien, Jemen und Irak“, sagte Ulrika Blom, Kongo-Landesdirektorin des NRC.

„Hinter den Zahlen stecken Millionen zerstörte Leben“

Africa Report on Internal Displacement

In der südostkongolesischen Provinz Tanganyika, wo Milizenkonflikte weit über eine halbe Million Menschen in die Flucht getrieben haben, seien die Bedingungen „mehr als horrormäßig“, so die Norwegerin weiter: „Vergangene Woche fanden wir eine Kirche, die über 80 Menschen Zuflucht bot, die im September vor Angriffen geflohen waren. Familien waren in absolutem Elend zusammengepfercht. Kinder schliefen auf dem nassen Boden unter leeren Zuckersäcken. Vier Menschen sind bereits gestorben.“

Im Kongo mit 80 Millionen Einwohnern wurden in der ersten Jahreshälfte 2017 fast eine Million Menschen neu vertrieben, „mehr als in ganzen Jahr 2016“, so der Bericht; in der Zentralafrikanischen Republik mit knapp 5 Millionen Einwohnern waren es über 200.000, „viermal so viele wie im Vorjahr“. Von vertriebenen Zentralafrikanern haben 27 Prozent Tötungen mit angesehen und 20 Prozent sind vergewaltigt worden. Dramatisch bleibt auch die Situation in Südsudan, wo die Zahl der Binnenvertriebenen bis Mitte November 1,86 Millionen erreichte und die Zahl der Flüchtlinge, die in Nachbarländer gezogen waren, 2,1 Millionen. Besonders viele Neuvertreibungen gab es 2017 auch in Äthiopien.

Binnenflucht ist oft das Ergebnis bewusster Strategien von Gewaltakteuren, so der Bericht. In der humanitären Hilfe haben Binnenvertriebene aber meist das Nachsehen gegenüber Fliehenden, die in ein anderes Land ziehen und dann regulären Flüchtlingsstatus genießen.

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