: Vom eigenen Erfolg überrascht
Mit Aito Garcia Reneses als neuem Trainer haben sich die Basketballer von Alba Berlin als Team gefunden. Ob noch Luft nach oben ist, wie Sportdirektor Himar Ojeda glaubt, wird sich beim Heimspiel gegen Gießen am Freitag zeigen. Ziel ist das Meisterschaftshalbfinale
Von Nicolas Sowa
Ein wenig überraschend kommt selbst für die Verantwortlichen von Alba Berlin der schnelle Erfolg ihrer Basketball-Mannschaft. Und das mit dem jüngsten Team, das Alba je ins Rennen geschickt hat. In der Bundesliga liegen die Berliner auf Platz zwei, im Eurocup – der entspricht in etwa der Europa League im Fußball – belegen sie in ihrer Gruppe ebenfalls den zweiten Platz und stehen kurz vor dem Einzug in die Top-16-Runde. „Das war so natürlich nicht zu erwarten“, sagt Manager Marco Baldi.
Denn nach einer enttäuschenden letzten Saison mit der vorzeitigen Entlassung von Trainer Ahmet Caki hatten die Alba-Verantwortlichen einen Neustart gewagt. Sechs neue Spieler kamen und mit Aito Garcia Reneses auch ein neuer Trainer. Der 70-jährige Spanier ist eine Spieler- und Trainerlegende. Er brachte NBA-Stars wie Pau Gasol (San Antonio), Ricky Rubio (Utah) oder Rudy Fernandez (Ex-Denver) heraus. „Wir spielen jetzt deutlich strukturierter und organisierter. Und vor allem ist unsere Defensive besser aufgestellt“, findet Alba-Kapitän Niels Giffey.
Aitos Name hat Klang in Basketball-Europa – und Alba bei der Verpflichtung neuer Spieler geholfen. Mit den US-Amerikanern Luke Sikma (vom spanischen Meister Valencia) und Spencer Butterfield (Nanterre) bekam man Spieler, die sonst wohl nicht in Berlin gelandet wären. Einige Akteure kamen extra wegen Aito nach Berlin. „Mit ihm als Trainer ist es hier perfekt für mich“, berichtet etwa der 20-jährige Stefan Peno, der vom FC Barcelona kam.
Die Spieler schauen auf zu Trainer-Guru Aito. Und dem Spanier ist es in kürzester Zeit gelungen, aus den einzelnen Akteuren ein Team zu formen.
Die Spieler vertrauen ihm und er vertraut ihnen – auch, wenn sie Fehler machen. „Wir müssen gar nicht immer gewinnen, aber wir müssen uns sukzessive steigern, um am Ende der Saison in Bestform zu sein“, erklärt Aito. Albas Ziel ist das Meisterschaftshalbfinale.
Aito ist sehr detailverliebt – und nimmermüde, den Spielern seine Ideen zu vermitteln. Seine besonnene Art kommt bei ihnen an. „Er ist super entspannt und wirkt nicht, als könnte ihn jemand die Ruhe und Souveränität nehmen. Er wird nie müde, Sachen zu erklären“, berichtet der deutsche Neu-Nationalspieler Joshiko Saibou. Die Spieler bekommen viel Freiraum – sowohl auf als auch neben dem Spielfeld. „Er hat so viel Erfahrung darin, wie man mit verschiedenen Spielertypen umgeht und sie einsetzt“, lobt Giffey.
Spieler Mit im Schnitt 13,4 Punkten pro Spiel ist Spencer Butterfield aktuell bester Berliner Werfer in der Bundesliga.
Die meisten Assists, also Vorlagen, kommen von Peyton Siva (5,8 pro Spiel). Damit liegt er in der Liga auf Platz vier. Bester Rebounder mit
im Schnitt 6,9 pro Spiel ist Luke Sikma.
Spiele Nachdem Alba im November nur ein einziges Heimspiel bestritt, gibt es im Dezember gleich sechs: Gießen (1.), Krasnodar (5.), Limoges (12.), Jena (23.), Bilbao (27.) und Ludwigsburg (29.). (taz)
Bei Alba verteilt sich die Verantwortung aber auf viele Schultern. Auch ein Eigengewächs wie Tim Schneider bekommt seine Spielzeit. So verwundert es nicht, dass die erzielten Punkte sich oft ausgeglichen auf die Spieler verteilen. Aito lässt viel rotieren, und so hat das Team auch am Ende eines Spiels noch Luft. Gerade in Schlussphasen kann Alba so das Niveau halten. „Wir spielen bis zum Ende mit voller Intensität. So gewinnen wir auch deutlich, obwohl es lange knapp war“, freut sich Aito.
Mit Luke Sikma, Peyton Siva und Spencer Butterfield hat das Team drei wichtige Stützen. Siva hatte vergangene Saison noch mit Verletzungsproblemen zu kämpfen. Davon blieb er zuletzt verschont und ist zum Denker und Lenker im Berliner Spiel geworden. „Wenn er im Spiel ist, wird es gleich viel leichter für alle“, findet Baldi. Immer wieder setzt der US-Amerikaner seine Mitspieler geschickt in Szene, kann aber auch selber punkten. Diesen Job übernimmt oft auch Spencer Butterfield. Der Shooting Guard kam im Sommer aus dem französischen Nanterre an die Spree. Und der 25-Jährige präsentiert sich als wahrer Dreier-Spezialist. In den letzten fünf Jahren hatte er eine Dreier-Quote von 44,3 Prozent – ein absoluter Topwert. „Er ist eine verdammte Mikrowelle, die pausenlos abliefert“, lobt ihn Giffey.
Vergangene Saison stellte Butterfield im Fiba Europe Cup sogar einen Rekord auf, als er gegen den türkischen Vertreter Usak Sportif stolze elf Dreier verwandelte. Er selbst gibt sich bescheiden und lobt lieber das Team: „Das Geheimnis ist, wie wir harmonieren und ob die anderen mich sehen, wenn ich frei in der Ecke stehe.“
Der Kopf der Mannschaft ist aber Luke Sikma, der Senior im Alba-Team. „Mit meinen weisen 28 Jahren bin ich sicherlich der Erfahrenste“, gesteht er schmunzelnd. Ist es in Spielen einmal eng, wird oft er gesucht. „Er ist ruhig und abgeklärt und immer an allem Guten beteiligt, was auf dem Feld passiert“, lobt ihn Baldi.
Sikma redet viel mit den anderen Spielern und nimmt die Führungsrolle an. „Ich versuche, den jungen Spielern ein Vorbild und Anführer zu sein“, sagt er. Nicht umsonst hat ihn Bundestrainer Henrik Rödl kürzlich als besten Spieler der Liga geadelt. Aber Sikma selbst sieht noch Luft nach oben. „Wir sind mit dem bisher Erreichten noch nicht zufrieden und wollen uns weiter verbessern“, erklärt er. Das ist vor allem Giffey wichtig. „Hier haben alle Ambitionen und jeder weiß, dass wir unsere Ziele nicht nur durch Reden erreichen“, sagt er. Die Teamchemie stimmt bei Alba. Auch abseits des Feldes unternimmt die Mannschaft vieles gemeinsam. „Diese Truppe hat ein Riesenherz“, freut sich Baldi.
Alba-Kapitän Niels Giffey über Spencer Butterfield
Noch zu viele Fehler
Trotz des bisherigen Erfolges ist man um Bodenhaftung bemüht. „Wir sollten uns von hohen Siegen nicht blenden lassen und denken, wir seien so viel besser als der Gegner. Wir müssen konstanter werden“, warnt Sportdirektor Himar Ojeda. Rückschläge sind einkalkuliert. Doch bisher hat sich das Team nur selten aus der Ruhe bringen lassen – auch wenn es mal eng wurde. Vieles, besonders die Defensive, klappt schon gut, vieles aber auch noch nicht. Denn Alba leistet sich im Spiel noch zu viele Fehler. In der Bundesliga gibt es im Schnitt 15,6 Ballverluste pro Partie – zu viel. Deshalb sieht Baldi sein Team zwar auf einem sehr guten Weg, „aber wir haben noch nicht das Level erreicht, wo wir hinkommen wollen“, sagt er.
Trainer Aito fordert deshalb mehr Zeit für das Training. Aber der enge Spielplan lässt das nur selten zu. Nach zweiwöchiger Länderspielpause geht der Stress für Alba Ende der Woche weiter. Am Freitag empfangen die Berliner in der Bundesliga Gießen daheim um 19 Uhr.
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