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Archiv-Artikel

Kein Sonntagsfrieden am Wahltag

Die Parteien wollen bis zum Schluss wahlkämpfen. Meinungsforscher gewähren keine „umfragefreie Schutzzone“

„Es gibt kein Gesetz, dass Umfragen in der letzten Wahlkampfwoche verbietet“

BERLIN taz ■ Gentlemen Agreements gelten in diesem Wahlkampf nicht. Nach der Union hat nun auch die SPD angekündigt, den Wahlkampf anders als bei vergangenen Kampagnen auch auf den Wahlsonntag auszudehnen. „Wir werden noch bis 18 Uhr Material verteilen“, sagte ein SPD-Parteisprecher. Kritik an dieser Absicht übte Bodo Ramelow, der Wahlkampfleiter der Linkspartei: „Es ist ein ungeschriebenes Gesetz, am Wahltag Sonntagsfrieden einzuhalten“, sagte er der taz.

Auch die meisten Umfrageinstitute wollen in der letzen Wahlkampfwoche keine Zurückhaltung üben. Die Meinungsforscher von Allensbach wollen sogar noch am Samstag im Auftrag der FAZ eine Wahlumfrage veröffentlichen. Auch die Konkurrenz von Forsa (im Auftrag von Stern und RTL) und Emnid (für N24) wollen im Laufe der Woche noch neue Daten herausgeben. „Es gibt kein Gesetz, nach dem wir das nicht mehr tun dürfen“, sagte N24-Sprecherin Julia Abach.

Lediglich die öffentlich-rechtlichen Sender ARD und ZDF wollen in der letzten Wahlkampfwoche auf Meinungsumfragen verzichten. ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender sprach sich für eine „umfragefreie Schutzzone“ aus. Oft seien Wähler auch bis kurz vor der Stimmabgabe nicht festgelegt, sagte Brender der taz. „Wenn man ein realistisches Stimmungsbild wiedergeben will, muss man von jetzt an jeden Tag eine Umfrage machen.“ Da man die Wähler nicht beeinflussen wolle, habe man sich gemeinsam mit der ARD auf eine freiwillige Selbstverpflichtung geeinigt.

Forsa-Chef Manfred Güllner hingegen hält Umfragen auch kurz vor der Wahl noch für aussagekräftig: „Diese Woche wird die Erfassung genauso schwierig wie jede andere“, sagte er. Große Verschiebungen im Meinungsbild sind seiner Meinung nach allerdings nicht mehr zu erwarten. „Die SPD hat ihre Trumpfkarte Gerhard Schröder im TV-Duell schon gespielt“, so Güllner. Allenfalls die FDP könnte durch Leihstimmen der CDU profitieren. „Die Koalitionsdebatten könnten den Liberalen nützen“, sagte er.

Nach der neuesten Forsa-Umfrage kommt Schwarz-Gelb gemeinsam auf 48 Prozent – ein Prozent weniger als SPD (35), Grüne (7) und Linkspartei (7) zusammen. KLAUS JANSEN