berliner szenen: Hilfe, Frühsexuali-sierung!
Wo ist Pippi Langstrumpf, wenn man sie mal braucht? Qua Beziehung habe ich eine kleine Nichte angehängt bekommen und die Weihnachtsgeschenkefrage steht ante portas. Zur Überblickgewinnung schleppe ich mich erst mal zu Karstadt – und erstarre zur Salzsäule: Die Rosa-Blau-Aufteilung wurde in den letzten Jahren nochmals einer massiven Verschärfung unterzogen; die Preise indes schwindeln irgendwo in der Höhe eines Wallstreet-Wolkenkratzers.
Schreibblöcke in der Spielzeugabteilung sind nicht liniert oder kariert, sondern entweder „Power-Rangers“ oder „Topmodels“. Der „Topmodels“-Aufdruck ist so pink, dass es einem die Augen aus dem Kopf krebst. Den topmodeligen Figuren gegenüber wirkt die gute alte Barbie fast wie eine Übergewichtige mit normal proportioniertem Gesicht. Die alte Prinzessin droht durch die Topmodelinvasion verdrängt zu werden. Schade ist das nicht, Pest oder Cholera.
Im Lego-Regal finde ich Packungen, die mit „leicht zusammenzubauen“ beschriftet sind. Diese sind rosa und zeigen Figuren in Wellnessoasen oder im rosa Glitzerschloss. Doch auch die Businessfrau ist angekommen: Mit hohlköpfigem Grinsen präsentiert sie sich ganz oben auf der Karriereleiter. Yes we can – neoliberale Indoktrination schon im Kindesalter.
An das Lego-Regal schließt eines mit Plastikgewehren und -pistolen an. Ob die von dem Erlebniskonzern namens Bundeswehr gesponsert sind? Das Äquivalent in der Rosa-Ecke sind Schminkköpfe und Miniaturbügeleisen aus Plastik. Dazu gibt es für die besser Betuchten kleine Spielküchen mit rosa Geschirr. Vielleicht sollte man die ablehnende Haltung der AfD gegenüber überdenken. Die setzen sich ja gegen Frühsexualisierung ein. In der Spielzeugabteilung hätten sie mal ein breites Arbeitsfeld. Daphne Weber
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