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Die List mit der Liste

GRIECHENLAND Ein Journalist wird verhaftet, weil er angebliche Inhaber Schweizer Konten geoutet hat

Der Journalist Kostas Vaxevanis hat in seinem Magazin Hot Doc die Namen mutmaßlicher griechischer Kontoinhaber in der Schweiz publiziert, die angeblich aus der sogenannten Lagarde-Liste stammen.

Da war sie also: Die Liste mit den Namen und Bankkonten mutmaßlicher Steuersünder, die 2010 von der damaligen französischen Finanzministerin und heutigen IWF-Chefin Christine Lagarde ihrem griechischen Amtskollegen Giorgos Papakonstantinou auf dem kurzen Dienstweg überreicht wurde und auf unerklärliche Art im Labyrinth der Bürokratie verschwunden sein soll.

Im Hot Doc erschienen die Namen ohne Kontonummer oder Summenangaben. Bei der Lektüre fühlt sich der Leser an Reeder- oder Politikerfamilien erinnert. Jedenfalls entsteht der Verdacht, dass das eine oder andere Familienmitglied ein Konto in der Schweiz unterhält. Vaxevanis selbst sagt, die bloße Namensnennung sei nicht unbedingt ein Beleg für Steuerhinterziehung oder sonstige Delikte.

Da in Griechenland freier Kapitalverkehr herrscht, darf man natürlich fragen: Ist es eigentlich verboten, Geld in die Schweiz oder sonst wohin zu schicken – vorausgesetzt, es stammt aus legalen Quellen und wurde ordnungsgemäß besteuert? Möglicherweise müssten Behörden oder interessierte Journalisten der Sache weiter auf den Grund gehen, doch gerade das wurde im vorliegenden Fall nicht gemacht.

Die Staatsanwaltschaft sah einen Verstoß gegen den Daten- und Persönlichkeitsschutz der Betroffenen und ließ Vaxevanis verhaften. Am Montag musste der 46-Jährige das erste Mal vor Gericht erscheinen, ihm drohen bis zu drei Jahre Haft.

Viele Kollegen von Vaxevanis kommentierten das so: Ganoven, die Milliarden hinterzogen haben, sind frei, aber ihr Gegner wird verhaftet. Er selbst sagt: „Die Geschäfte mit den Banken unterliegen nicht dem Datenschutz. Es kann nicht angehen, dass man solche Listen verheimlicht, während die Renten gekürzt werden und jede Oma in Griechenland Opfer aufbringt.“

Eins hat Vaxevanis immerhin geschafft: die Diskussion über die vergessen geglaubte Lagarde-Liste wieder ins Rollen zu bringen. Denn wenn ein Journalist Zugriff auf diese Namen hat, wieso behaupten führende Politiker, sie hätten keine Kenntnis davon oder es handle sich nicht einmal um eine richtige Liste? Laut Presseberichten meinten regierungsnahe Funktionäre, die im Hot Doc veröffentlichten Namen hätten nichts mit der Lagarde-Liste zu tun. Unlängst bedauerte der damalige Finanzminister Papakonstantinou, er könne sich nicht mehr erinnern, wo die Liste geblieben sei. Außenminister Dimitris Avramopoulos erklärte am Wochenende, zu der Liste gäbe es keinen offiziellen Briefwechsel zwischen Frankreich und Griechenland. Was auch niemand behauptet hat.

JANNIS PAPADIMITRIOU, ATHEN

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