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Kredit ja, Löhne nein

Insolvent in der Insolvenz: Air Berlin kann womöglich nur noch den Kreditan den Bund begleichen, nicht aber Löhne und Gehälter zahlen

Von Hanna Voß

Als wäre die „normale“ Pleite nicht schon schlimm genug, droht Air Berlin nun noch eine Steigerung, nämlich die Insolvenz in der Insolvenz. Das bedeutet, dass die Fluggesellschaft ihre sogenannten Masseverbindlichkeiten nicht begleichen kann; also jene finanziellen Verpflichtungen, die das Unternehmen nach seiner Insolvenzanmeldung eingegangen ist. Der 150-Millionen-Euro-Kredit des Bundes gehört genauso dazu wie die Löhne und Gehälter, die nach dem 1. November anfallen.

In den vergangenen drei Monaten, also während des vorläufigen Insolvenzverfahrens ab dem 15. August, hat die Arbeitsagentur dieses Geld überwiesen. Mit der offiziellen Insolvenzanmeldung beim Amtsgericht Charlottenburg am 1. November muss nun aber Air Berlin diejenigen, die auch nach Kündigung oder Freistellung noch Anspruch auf Gehalt haben, wieder selbst entlohnen. Nach jetzigem Stand wird das Unternehmen aber genau das nicht können.

Weniger Sorgen machen muss sich dagegen die Staatsbank KfW. Sie erhält ihren 150-Millionen-Euro-Kredit, den sie im Auftrag des Bundes an Air Berlin vergeben hatte, aller Voraussicht nach zurück – mit elf Prozent Zinsen obendrauf. „Wir gehen davon aus, dass der Kredit zurückgezahlt werden kann“, sagte eine Sprecherin des Wirtschaftsministeriums.

Stephan Madaus, Professor für Insolvenzrecht an der Martin-Luther-Universität in Halle, erklärt: „Dahinter steckt der Gedanke, dass die Staatskasse von einem solch ungewöhnlichen und risikobehafteten Eingreifen auch einen Vorteil haben soll. Rein juristisch sind aber alle Masseforderungen an Air Berlin gleichrangig. Eine Bank hat nur dann bessere Aussichten als etwa Arbeitnehmer*innen, wenn ihre Sicherheiten ausreichen.“

Mit dem Geld vom Staat sollte der Flugbetrieb gewährleistet werden, bis die Übernahme geregelt werden konnte. Aus den Geschäften mit der Lufthansa und Easyjet sollen etwa 250 Millionen Euro generiert werden; davon wurde allerdings noch kein Euro auf das Konto von Air Berlin überwiesen. Denn die EU-Kartellbehörden müssen der Übernahme großer Teile der Air-Berlin-Flotte durch die Lufthansa erst zustimmen, was bis Dezember oder Januar dauern kann.

Den KfW-Kredit gab es nur unter bestimmten Voraussetzungen: „Dafür hat sich die Bank bestimmt ausreichend Sicherheiten geben lassen, auf die sie jetzt zurückgreifen kann“, sagt Madaus. Damit habe sie gegenüber den Mitarbeitenden einen Vorteil. Auch die Gläubiger könnten leer ausgehen. Grundsätzlich gilt als Sicherheit alles, was zu Geld gemacht werden kann. Das könnten Flugzeuge, Maschinen und Anlagen sein, aber auch immaterielle Werte wie die Rechte an der Marke Air Berlin.

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