: Aus der Höhle Hippierock
Das ist eine Geschichte, in der Teddybären ihren Platz haben und galante Handküsse, was schon mal heißt, dass es hier nicht um eine klassische Rockgeschichtsschreibung gehen kann. Weil Gong nicht einfach eine klassische Rockband sind.
Es ist die Geschichte von Daevid Allen. Australischer Musiker. Beatnik. Der in Paris gleich mal das Zimmer bezog, das gerade Allen Ginsberg geräumt hatte. In den Sechzigern verschlug es ihn nach Canterbury, wo er mit dem Sohn seines Vermieters eine Band gründete. Der Sohn war Robert Wyatt und die nachmalig recht bedeutsame Auch-nicht-wirklich-Rock-Band Soft Machine. Nach einer Europatour aber wurde Allen die Einreise nach Großbritannien verweigert, weil er bei einem früheren Besuch im Land mal sein Visum überzogen hatte. Allen blieb in Frankreich (was Soft Machine nicht unbedingt geschadet hat im musikalischen Fortkommen), verteilte im unruhigen Pariser Mai 1968 die Teddybären an Polizisten. Und gründete Gong. Einer der Musiker, Didier Malherbe, soll dabei in einer Höhle auf Mallorca aufgestöbert worden sein, in der er lebte, aber so war eben die Zeit, und die Musik von Gong war ein bunter und manchmal wirrer Flug im Teekesselchen, psychedelische Glasperlenspiele mit Jazzrock-Fransen dran. Und später war es nur ein kompetent gespielter und einigermaßen gesichtsloser Jazzrock, der bei Gong gespielt wurde. Aber da war Daevid Allen schon nicht mehr dabei. Dafür legte er mit „New York Gong“ Ende der Siebziger ein echtes Meisterwerk vor, ekstatisch wild und doch konzentriert in einer Kompaktheit, zu der ihn auch Punk und Bill Laswell als Mitmusiker gezwungen haben.
Dann verdaddelt sich die Geschichte ein wenig, Allen taucht ab und wieder auf. Zuletzt war er zusammen mit Chris Cutler und dem gerade im Juni verstorbenen Hugh Hopper als Brainville 3 in der Berlin, bei einem Konzert ziemlich großartig, beim zweiten reichlich lausig, aber dafür verteilte Allen vorab Handküsse im Lido. Und jetzt gibt es ein neues Album von Gong, „2032“, eingespielt in der Bestbesetzung der Band (also mit dem Gitarristen Steve Hillage) und einer etwas begradigten Version des alten verkifften Hippierocks. Am Montag wird es im Frannz vorgestellt. Eine Legende ist zurück, show some respect.
Und hören, was Gong heute bedeuten könnte. Zum Beispiel Wooden Veil, eine Berliner Band. Vesponnene Eigenweltlichkeit. Lagerfeuer in aufgelassenen Industrieanlagen, tribalistische Ritualmusiken. Hier ist zu hören, was auch Gong erst angetrieben hat. Ohne auch nur einen Hauch nach Gong zu klingen. Wooden Veil stellen nächsten Freitag in der Alte-Kindl-Brauerei in der Neuköllner Werbellinstraße ihr Album vor. THOMAS MAUCH