meinungsstark
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Ein Trauerspiel: 146 Jahre Paragraf 218

betr.: „Kommt vor Gericht, weil sie Frauen hilft: die Ärztin Kristina Hänel“, taz vom 27. 10. 17

„Memmingen ist überall.“

So lautete der Slogan damals. Im Jahr 1988 kamen Tausende von Frauen (und auch einige Männer) zur Demonstration nach Memmingen. In der beschaulichen Stadt im Allgäu war der Arzt Horst Theißen wegen Verdachts des illegalen Schwangerschaftsabbruch in mehreren Fällen angeklagt worden.

Und heute!?

Wieder wird eine Ärztin vor Gericht gezerrt und angeklagt.

Dabei hat Kristina Hänel lediglich auf ihrer Website (wo sonst) informiert.

Ich kann es nicht fassen! Seit 1871 steht der Paragraf 218 im Strafgesetzbuch. Aller politischer Protest, alle Initiativen, aller Kampf haben es über 146 Jahre nicht geschafft, ihn da rauszustreichen. Gerade wird wieder über die Politik für die nächsten vier Jahre geschrieben. Die Parteien sondieren.

Zeit, die Forderung nach Streichung des Paragrafen 218 wieder auf deren Agenda zu setzen, um endlich der Kriminalisierung von Frauen und Ärztinnen und Ärzten ein Ende zu setzen.

Zeit, dass endlich wieder Frauenpolitik gemacht wird.

Schwangerschaftskonfliktberatung, Frauenhäuser, Frauenberatungsstelle: alles Trostpflästerchen, die Augenwischerei sind, aber an der Grundproblematik – Einschränkung von Frauenrechten, Gewalt an Frauen – noch immer nichts geändert haben. Karin Schüler, Bonn

Raus aus dem Kistendenken

betr.: „Letzte Hoffnung FDP“, „Kein Jamaika ist unmöglich“, taz vom 21./ 22. 10. und 28./29. 10. 17

Hallo Peter Unfried, die Kommentare in den beiden letzten Ausgaben zum neuen Denken mit Christian Lindner von der FDP und dem Weg und der Verantwortung auf dem Weg zu Europa waren herzerfrischend.

Nicht die FDP, nicht deren Chef, nö, aber der Ansatz, Problem und Lösungen mal anderes anzugehen als aus dem klassischen Kistendenken links, rechts, neoliberal, links oder grün heraus – wir werden, insbesondere die ökologischen, aber auch die gravierenden Ungerechtigkeitsprobleme in dieser Gesellschaft nur gemeinsam, mit Mehrheiten lösen können. Dazu sind andere Lösungsansätze, wie Lindner formulierte, notwendig.

Leider muss ausgerechnet aus der FDP solcher Ansatz publiziert werden – deren Bereitschaft zu Veränderung muss schließlich stark angezweifelt werden.

Wo sind die eigentlichen Vordenker jenseits der Parteiorder bei den Grünen, bei den Linken? Lisa & Heinz Kurtenbach, Much

Die Stellung der Sorben in der DDR

„Die Reformatorin aus der Lausitz“, taz vom 31. 10. 17

Zu Ihrem Beitrag über die Entwicklung in der Lausitz gehörte ein Infokasten. Dort heißt es: „Nach kultureller Unterdrückung durch Preußen, Vernichtungspolitik der Nazis und rabiater Industrialisierung in der DDR bekennen sich heute geschätzt 60.000 Menschen zum sorbischen Volk.“

Diese Aneinanderreihung kann ich nur als Quasigleichsetzung lesen, sie bedient die große verlogene Erzählung, dass nach dem Faschismus im Osten die Unterdrückung nahtlos fortgesetzt worden sei.

Am Beispiel der Sorben zeigt sich, dass das perfide ist. Sie haben in der DDR weitreichende Rechte als nationale Minderheit genossen, einschließlich hoch subventionierter Kulturvereine und Verlage. Sprache und Brauchtum wurden gepflegt und gefördert. Ohne diese Unterstützung gäbe es sie als eigenständige ethnische Gruppe vermutlich gar nicht mehr.

Die „rabiate Industrialisierung“ bestand in der DDR darin, dass man Industriebetriebe auch in wenig erschlossenen Gegenden (zum Beispiel in der Lausitz) angesiedelt hat, um dort die gesellschaftliche Entwicklung zu fördern – auch dann, wenn betriebswirtschaftliche Gesichtspunkte dagegen gesprochen haben. Gert Hautsch, Frankfurt am Main